SHONEN KNIFE

Das Bett, Frankfurt, 12.09.2013

Als ich einen meiner amerikanischen Freunde kürzlich fragte, wie denn die Band gewesen sei, die er am Tag zuvor gesehen hatte, antwortete er mit den Worten: „Well, they were good in what they were doing, but what they were doing sucked!“ – ein nahezu philosophischer Satz, der mein gestriges Konzert-Erlebnis im Frankfurter Club Das Bett exakt auf den Punkt bringt. Doch dazu später mehr. Zunächst einmal gilt es festzustellen, dass Das Bett nach einer Sommerpause nun wieder mit Konzerten durchstartet und dass sich während der kleinen Auszeit etwas getan hat im Laden. Die sterilen weißen Wände, die ich bis dato stets als Atmosphäre-Killer empfunden habe, wurden zwar nicht gestrichen, dafür aber sorgt ab sofort eine rote Lichtinstallation für eine wohlige und schummrige Stimmung, die durchaus auch nach einem Gig noch dazu einlädt, auf ein Bierchen im Club zu verweilen.

Die japanische All-Girl-Band SHONEN KNIFE hatte ich vor 20 Jahren erstmals gesehen, wenn ich mich recht erinnere, fand der Gig damals im Café KOZ statt. Der Auftritt war nicht gut, wohl aber schräg, unterhaltsam und exotisch. Richtig ernst genommen hat die Mädels mit den Pieps-Stimmen und ihrem Trash-Pop damals niemand. Aber immerhin waren sie die erste japanische Combo, die ich gesehen habe, noch vor MELT BANANA, GUITAR WOLF, BALZAC und ELECTRIC EEL SHOCK, die sich ja

recht häufig in unsere Gefilde verirren. Insofern war ich gespannt, wie sich die Band im Laufe der Jahre entwickelt hat.

Vor den Japanerinnen standen DIE RADIERER auf der Bühne, die mir bis dato nur durch einen Song auf dem inzwischen raren „UntergrouNDW“-Sampler bekannt waren. Der Song heißt „Angriff aufs Schlaraffenland“, datiert aus dem Jahr 1980 und ist – laut der Bandwebsite – der ultimative Neue Deutsche Welle- Song. Über diese Aussage mag man zwar streiten, fest steht aber, dass DIE RADIERER ebenso wie SHONEN KNIFE bereits über 30 Jahre Bandgeschichte vorzuweisen haben. Ob dies der Grund war, warum die NDW-Combo aus dem hessischen Limburg an diesem

Abend als Opener fungierte, entzieht sich meiner Kenntnis. Immerhin, mit ihrem Sound, den blauen Perücken und einem rhythmisch tanzenden Elektro-Panda (rechts) bescherte uns die Band bereits vor dem Hauptact einen Hauch von Exotik, der von den etwa 50 anwesenden Besuchern allerdings recht teilnahmslos zur Kenntnis genommen wurde.

Auf mich wirkten die Jungs, als ob sie eigentlich zu einer verfrühten Karnevalsveranstaltung unterwegs waren, aber die falsche Abzweigung genommen haben und durch Zufall im Bett gelandet sind. Vor STEREO TOTAL wäre die Band sicherlich besser aufgehoben gewesen. NDW-Freunde sollten das Quartett dennoch anchecken,

da es hier textlich wie musikalisch einiges zu entdecken gibt. DIE RADIERER veröffentlichen damals wie heute auf dem kultigen Label Zickzack Records, auf dem unter anderem auch wegweisende Scheiben von ABWÄRTS, EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, XMAL DEUTSCHLAND und DIE KRUPPS erschienen sind.

Nach einer relativ langen Umbau-Pause, während der noch ein kurzer Soundcheck durchgeführt wurde, betrat schließlich das japanische All-Girl-Trio die Bühne. Von der 1981 gegründeten Original-Besetzung ist lediglich

Sängerin und Gitarristin Naoko Yamano noch mit von der Partie. Sie ist inzwischen 52 Jahre alt, hat sich aber verdammt gut gehalten. Die Bassistin Ritsuko Taneda ist seit 2006 Teil der Band und Drummerin Emi Morimoto seit 2010. Bevor’s losging, bescherten uns die Mädels eine kleine Cheerleader-Performance, bei der sie sich nebeneinander vor das Drumset stellten und dabei Schals mit ihrem Bandlogo in die Höhe hielten. Ein Ritual, mit dem die Japanerinnen vermutlich jedes ihrer Konzerte eröffnen (und beenden, Foto links). In biedere 60s-Kostüme gehüllt, legten die Girls schließlich mit dem Song „Konnichiwa“ los. Im Vergleich zum Auftritt vor gut zwei Dekaden fiel zunächst auf, dass es diesmal weitaus professioneller zuging, die Mädels beherrschen mittlerweile ihr Handwerk, auch wenn der dargebotene Drei- Akkorde-Rock natürlich keinerlei virtuoser Fähigkeiten bedarf. Und sie haben sogar ein wenig Englisch und auch Deutsch gelernt – was man nicht von allen japanischen Musikern, die international touren, behaupten kann.

Rein musikalisch war das, was sich auf der Bühne abspielte, dennoch eine Belanglosigkeit sondergleichen. Drei grinsende, Fleisch gewordene Manga-Figuren präsentierten minimalistischen Pop-Rock mit Lyrics auf Vorschul-Niveau. Nun mag man natürlich sagen, dass die RAMONES, eines der großen Vorbilder der Japanerinnen, zu Lebzeiten auch nichts anderes gemacht haben, doch dem ist nicht so. Denn die New Yorker rekrutierten sich aus abgefuckten

Straßenkids, darunter Junkies und Stricher, deren Leben bis zum Durchbruch ein einziger Kampf war. Aus dieser Situation heraus den fröhlichen Bubblegum-Punk zu schaffen, hatte schon etwas Paradoxes. SHONEN KNIFE hingegen wirken wie eine poppige Mini-Playback-Show-Variante der RAMONES, deren Rock’n’Roll-Attitüde gekünstelt und einstudiert wirkt.

Lässt man Punk- und Rock’n’Roll-Kriterien außer acht und betrachtet die Darbietung lediglich unter einem unterhaltungstechnischen Aspekt, dann – und hier komme ich zum eingangs getätigten Zitat zurück – haben die Mädels im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen ganz ordentlichen Gig geliefert. Sicherlich nicht für Punk-Fans, wohl aber für Freunde der skurrilen Trash-

Unterhaltung. Denn lustig war es schon anzuschauen, wie sich die drei zierlichen Musikerinnen redlich dabei abmühten, möglichst viele Rock-Posen in ihren Auftritt einzubauen. Der schräge Mickey-Maus-Gesang und die ständigen Danksagungen ans Publikum hatten ebenfalls etwas Komisches, gleichzeitig aber auch etwas Charmantes.

Dennoch hatte ich stets den Eindruck, dass die Band bei der Eröffnung eines Shopping-Centers oder auf einem Kindergeburtstag wesentlich besser aufgehoben wäre. Orte, an denen seichte Unterhaltung für anspruchslose Musikkonsumenten angebrachter ist, als auf der Bühne eines Rock-Clubs.

Passend dazu gab es Lieder über Katzen, Bananen-Chips und Isolierband, weil, so Sängerin Naoko, Isolierband praktisch sei, um Dinge zu befestigen. Es lebe der Autismus. Auch aus dem RAMONES-Cover-Album „Osaka Ramones“ wurde ein Song („Rockaway Beach“) gespielt, der mich einmal mehr in meiner Meinung bestätigte, dass Cover-Versionen von MOTÖRHEAD, MISFITS und den RAMONES per Gesetz und unter Androhung körperlicher Züchtigung verboten werden sollten.

Hätte man den Gig mit einigen „Teletubbies“-Clips auf einer Leinwand untermalt, dazu Sushi, Yakitori und Sake gereicht und das Ganze unter dem Signet „Trash-Night“ stattfinden lassen, wäre der

Abend perfekt gewesen. Ohne diese Gimmicks lebte der Auftritt lediglich vom Exoten-Status der Band und vom gut gelaunten Publikum, das die Mädels begeistert feierte – warum auch immer. Ich für meinen Teil werde mir diese toxischen Sushi-Häppchen kein weiteres Mal antun. Besser als die ebenfalls aus Japan stammenden MIKA BOMB, die ich vor kurzem beim Nippon Connection-Festival ertragen musste, war es aber allemal. Daher mein Fazit: Wer Punk mag, macht besser einen großen Bogen um diese Band; wer auf Trash, kleine Manga-Mädchen, Pieps-Stimmen und die Teletubbies steht, der darf durchaus einen Blick riskieren, wobei hier ausdrücklich ein Live-Gig empfohlen sei, auf Platte wird’s nämlich richtig gruselig…

Links: http://www.damnably.com/shonen-knife/, https://myspace.com/shonenknife, http://www.reverbnation.com/shonenknife, http://www.die-radierer.de/, https://myspace.com/radierer, http://www.lastfm.de/music/Die+Radierer

Text: Marcus / Fotos: Stefan
Clip: am Konzertabend aufgenommen von VodkaViolator

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