YUPPICIDE

Café Central Weinheim, 12.09.2012

Zugegeben, Weinheim, im äußersten Norden von Baden-Württemberg gelegen, gehört mitnichten zum Rhein/Main-Gebiet. Es ist aber ein Ort, der von Frankfurt aus in lediglich 45 Minuten bequem zu erreichen ist und der zudem das Café Central beherbergt, einen netten kleinen Club, in den es uns schon des öfteren verschlagen hat. Meist machen hier die Bands Station, die die Mainmetropole in ihrem Tourplan ausgelassen haben. So auch im Fall von YUPPICIDE, dem etwas anderen Hardcore-Act aus New York, der sich sowohl musikalisch, als auch visuell von der Mehrzahl der Bands aus der Ostküsten-Metropole abhebt.

Support des Abends waren LAST HOPE (Fotos in der Galerie), die musikalisch weitaus mehr dem eben erwähnten Gros der NYHC-Gruppen entsprechen, allerdings

aus Sofia, Bulgarien, stammen. Auch dort scheint es also Hardcore-Combos zu geben, und, wie die Jungs ziemlich eindrucksvoll bewiesen, sogar recht gute. Im Vergleich zu den beiden Vorgruppen beim kürzlichen AGNOSTIC FRONT– Gig in Frankfurt (TAKE OFFENSE und MONGOLOIDS) hinterließen LAST HOPE mit ihrem brachialen und schnellen Oldschool-Hardcore einen deutlich besseren Eindruck. Einen Innovationspreis werden sie mit ihrem Sound zwar nicht gewinnen, aber live anschauen kann man sie sich allemal. Die Band existiert übrigens schon seit 18 Jahren und hat bereits mit allen namhaften Kollegen des Genres die Bühne geteilt. Ein guter Opener!

Es dauerte nicht lange, bis schließlich die Hardcore-Heroen YUPPICIDE die Bühne enterten. Diese hatten sich eigentlich 1999 aufgelöst, sich aber 2010 wieder zusammengefunden, und das nahezu in Originalbesetzung, lediglich Drummer Jay Rogan stieß neu hinzu. Wie bereits erwähnt, sind und waren YUPPICIDE nie eine der typischen New Yorker HC-Bands, sondern hatten innerhalb der Szene schon immer eine gewisse Ausnahmestellung inne. Zum einen durch ihre zynischen politischen Lyrics, die sich nicht selten gegen das eigene Land richten, zum anderen durch ihren markanten Frontmann Jesse Jones, Sohn einer Schauspieler-Familie, dem das Talent der Eltern wohl in die Wiege gelegt wurde.

Jesse präsentiert sich bei jedem Gig mit einer anderen Gesichtsbemalung und singt die Songs nicht nur, er interpretiert sie mit eindrucksvoller und lebhafter Mimik.

Am gestrigen Abend erschien der 1,90 Meter große Sänger mit blau-weißer Schminke, vielleicht als Hommage an die New York Yankees, und zog das Publikum bereits mit dem ersten Stück des Sets („Fistful of Credit Cards“) in seinen Bann. Wie ein Derwisch fegte der gebürtige Londoner über die Bühne und lieferte dabei eine Mischung aus klassischem Theater-Overacting, Kampfsport-Moves und scheinbar unkontrollierten Bewegungen, bei denen er seine Arme durch die Luft fliegen ließ, als wären sie gerade ausgekugelt worden (siehe Ende des Videoclips). Das Ganze wirkte, als ob er während des Auftritts ein Fitness-Training absolviere und dementsprechend ausgepowert hing er nach dem Gig auch in den Seilen.

Die Setlist umfasste gut zwei Dutzend Songs, darunter fünf der aktuellen EP „American Oblivion“, die, wie ich finde, sehr UK-Punk orientiert ist und mich hier und da an ANTI-NOWHERE LEAGUE erinnert, was ja auch nicht das Schlechteste ist. Zwischen den einzelnen Stücken lieferte Jesse Erklärungen zum jeweils nächsten Lied und wurde dabei gelegentlich von den zynischen Kommentaren des Gitarristen Steve Karp unterbrochen: „Warum sind eigentlich nur so wenige Leute hier?!“ – „Vermutlich sind die anderen Deutschen gerade damit beschäftigt, Polen zu besetzen!“

Tatsächlich war die ohnehin nicht allzu große Location nur etwa bis zur Hälfte gefüllt, was schade war, denn YUPPICIDE spielten sich nicht nur den Arsch ab, sie konnten auch in allen Belangen überzeugen. Jesse rackerte unermüdlich, wechselte seine Outfits, präsentierte sich mit SM-Maske und agierte bei einem Song sogar mit einem Megafon. Umso erstaunlicher war es, dass vor der Bühne keinerlei Bewegung stattfand und das Publikum dem Treiben der Band lediglich gebannt zusah, ohne selbst mitzugehen. Da half auch eine spontane Attacke des Sängers nichts, bei der er ins Publikum stürmte und einige Leute umriss.

An den Songs konnte es nicht gelegen haben, denn mit „Fistful of Credit Cards“, „Albatross“, „Dr. Extermination“, „All for Nothing“ und „Socialization“ (Clip) waren genug „Hits“ vertreten, auch wenn ich gern noch „Ourselves“ und „Destroyer“ gehört hätte. Dem Konzerterlebnis tat die mangelnde Beteiligung der Zuhörer keinen Abbruch. Wir wurden Zeuge eines Hardcore-Schauspiels, das uns noch lange in Erinnerung bleiben wird und das von einem der besten Frontmänner der Szene dominiert wurde: Jesse Jones.

Links: http://www.myspace.com/yuppicide, http://www.reverbnation.com/yuppicide

Text & Fotos: Marcus
Clip: am Konzertabend aufgenommen von VodkaViolator

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