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Linke Szene in Alarmbereitschaft

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Rund 150 Teilnehmer zählte eine spontane Solidaritätsdemonstration für das "Exzess" am Montagabend.
Rund 150 Teilnehmer zählte eine spontane Solidaritätsdemonstration für das "Exzess" am Montagabend. © peter-juelich.com

Eine Reihe mutmaßlicher Brandanschläge auf linke Zentren und Wohnprojekte beschäftigt die Polizei in Frankfurt und sorgt für Unruhe unter den Aktivisten. Nun hat es auch im "Exzess" in Bockenheim zwei Mal gebrannt.

Für seinen Appell braucht der Beamte des 13. Polizeireviers kein Megafon. Seine Stimme übertönt problemlos das rauschende Murmeln der rund 100 Menschen, die sich am späten Montagabend vor dem autonomen Zentrum „Exzess“ auf der Leipziger Straße in Bockenheim versammelt haben. „Könnte jemand von den Personen, die an dem Vorfall mit dem Herrn in der Fritzlarer Straße beteiligt waren zu mir kommen?“. 

Die Antwort ist Schweigen. Nicht unbedingt eisig, eher selbstverständlich. Die linke Szene in Frankfurt - und nicht nur da - beschränkt ihre Kommunikation mit der Polizei auf das absolute Minimum. Selbst an Abenden wie diesem. 

Knapp anderthalb Stunden zuvor hatten Besucher des „Exzess“ einen Brand am Eingangstor zur Theaterhalle des Zentrums bemerkt und gelöscht. Im Innern befanden sich zu diesem Zeitpunkt mehrere Dutzend Menschen. Das „Exzess“ hatte zum Plenum gerufen. Beraten wurde darüber, wie man mit den Geschehnissen vom Vortag umgehen solle - denn bereits am Sonntagabend hatte es am „Exzess“ gebrannt: eine Holzverkleidung an der Außenwand der Theaterhalle. 

Zwei Brände an zwei aufeinanderfolgenden Abenden. Im „Exzess“ hat man keine Zweifel: Es waren Anschläge. Zu gut passen die beiden Feuer in das Raster ähnlicher mutmaßlicher Brandstiftungen, von denen seit Mitte September insgesamt fünf linke Wohn- und Kulturprojekte im Rhein-Main-Gebiet betroffen waren. Die Uhrzeit, das Ziel und auch die nicht sonderlich professionelle Vorgehensweise - sie alle deuten darauf hin, das jemand linksalternative Zentren ins Visier genommen hat. 

Die Nachricht vom neuerlichen Brand am „Exzess“ macht am Montagabend schnell die Runde. Gegen 22.30 Uhr sammeln sich nach und nach mehr als 150 Menschen auf der Leipziger Straße zu einer Spontandemo. Nur wenige Minuten nach dem Brand am „Exzess“ hatten Bewohner eines selbstverwalteten Hauses in der Fritzlarer Straße, etwa fünf Minuten Fußweg entfernt, einen Mann gestellt, der versucht haben soll, sich Zugang zum Innenhof zu verschaffen – der Vorfall, den der Beamte des 13. Reviers gerne geklärt hätte. Er wird keine Antwort erhalten. Später stellt sich heraus, dass es sich um einen polizeibekannten Mann handelte, der nach einem Platz zum Urinieren suchte.

In der linken Szene in und um Frankfurt ist man dieser Tage in Alarmbereitschaft. Spätestens seitdem es Mitte November im Stadtteil Rödelheim binnen weniger Tage insgesamt vier Mal in alternativen Wohnprojekten brannte - drei Mal auf dem Gelände der seit 35 Jahren besetzten „Au“, einmal in der Assenheimer Straße. Zuletzt brannte am 3. Dezember auf dem Gelände des Hanauer Wohnprojekts „Schwarze 79“ ein als Gartenlaube genutzter Bauwagen aus. 

Am Morgen nach dem zweiten Brand am „Exzess“ ist im Bockenheimer Wohnprojekt „Fritze“ nicht mehr viel von der Alarmiertheit des Vorabends zu spüren. In der großen Gemeinschaftswohnung im Dachgeschoss des 1991 besetzten Gebäudes, das später von seinen Bewohnern erworben wurde, gluckert eine Kaffeemaschine. Eine breite Fensterfront gibt den Blick frei auf die Dächer der angrenzenden Häuser. Der Vorfall mit dem unbekannten Eindringling am Vortag ist nicht vergessen, aber abgehakt. „Natürlich sind wir wachsamer als sonst“, sagt Kris, eine der Bewohnerinnen, „aber es ist nicht so, als ob das unser Leben dominieren würde.“

Wachsamkeit hat bislang wohl Schlimmeres verhindert. Bei den Bränden im Umfeld der „Au“ waren es Be- und Anwohner, die die Brände bemerkten. In Hanau hatten sich die Bewohner der „Schwarzen 79“ gerade einen zusätzlichen Feuerlöscher zugelegt. So konnten sie den Brand selbst bekämpfen. Beim Wohnprojekt in der Assenheimer Straße hingegen half das Wetter mit. Ein angezündeter Zaun entpuppte sich als zu feucht für ein wütendes Feuer. Größeren Sachschaden verursachte lediglich der erste Brand beim Wohnprojekt „Knotenpunkt“ in Schwalbach - wobei hier nach Polizeiangaben unklar ist, ob Brandstiftung vorliegt. 

Für die Polizeibehörden stellt sich das Problem, dass ihr seitens der linksalternativen Szene - gelinde gesagt - Skepsis entgegenschlägt. Die beiden Brände im „Exzess“ waren am Dienstag noch nicht angezeigt. Bei den Bränden in der „Au“ wird von Amts wegen ermittelt. Die Bewohner der „Schwarzen 79“ hingegen haben mit den Brandermittlern zusammengearbeitet. „Aber wenn der Staatsschutz ermittelt, dann machen wir nicht mit“, erklärt eine Sprecherin des Hanauer Wohnprojekts.

Zumindest in Frankfurt ist nach Angaben des örtlichen Polizeipräsidiums der Staatsschutz mit den Bränden in den linken Projekten bereits befasst. Zwar liegt kein Bekennerschreiben vor, doch der Verdacht steht im Raum, dass ein politisches Motiv hinter den mutmaßlichen Brandstiftungen stecken könnte. 

Seit Monaten beklagen linke Einrichtungen – darunter die „Au“ und das „Exzess“ – Stimmungsmache durch CDU, FDP und AfD im Frankfurter Römer. Sollten sich die Brände tatsächlich als Anschlagsserie herausstellen, sei die Grundlage dafür im Frankfurter Römer gelegt worden, so der einhellige Konsens.

Dass dieser am Montagabend auch von den rund 150 Demonstranten, die vom „Exzess“ aus durch Bockenheim ziehen, geteilt wird, macht schon das Frontbanner klar: „Das Feuer legen andere – der Zündstoff kommt aus dem Römer“, steht darauf zu lesen.

Von Danijel Majic 

Inzwischen ist ein Verdächtiger festgenommen worden. Die Betroffenen fordern eine umfangreiche Aufklärung der Brandserie in linken Zentren rund um Frankfurt

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