CHRISTIAN DEATH @ Hellnights 2015

Das Bett, Frankfurt, 28.10.2015

Christian DeathHier der zweite und letzte Teil unserer Berichte zu den Hellnights 2015 im Frankfurter Club „Das Bett“.
Als letzter Act des Abends betraten CHRISTIAN DEATH die Bühne. Die Goth-Rocker aus Los Angeles hatten sich in den vergangenen Jahren rar gemacht in Deutschland, hier und da gab es Festival-Auftritte, aber die letzte Tour, an die ich mich erinnern kann, war die zum 94er-Album „Sexy Death God“. Damals hatte ich die Amerikaner im Heidelberger Schwimmbad-Club gesehen. Überhaupt verbinde ich einige schöne Konzert-Erlebnisse mit CHRISTIAN DEATH, beispielsweise den Gig 1989 im Frankfurter Negativ, bei dem die Band den Club erst um Mitternacht erreichte, weil der Fahrer das Venue nicht gefunden hatte, Navigationsgeräte gab es damals noch nicht.

Es gibt nicht viele Bands, als deren Fan ich mich bezeichnen würde, aber CHRISTIAN DEATH gehören definitiv dazu. Alle Scheiben haben einen Ehrenplatz in meiner Sammlung und müsste ich zehn Songs nennen, die den Christian Death„Soundtrack meines Leben“ liefern, dann würde sicherlich „This is Heresy“ vom legendären „Sex & Drugs & Jesus Christ“- Album dabei sein.

Wer bisher keine Bekanntschaft mit CHRISTIAN DEATH gemacht hat, der sollte wissen, dass keiner der drei Musiker, die am gestrigen Abend auf der Bühne standen, zur Original-Formation zählte. Vielmehr waren es Sänger Rozz Williams und Gitarrist Rikk Agnew Christian Death(SOCIAL DISTORTION, ADOLESCENCE, D.I., 45 GRAVE), die CHRISTIAN DEATH 1979 aus der Taufe hoben und 1982 das Debüt „Only Theatre of Pain“ veröffentlichten. Bereits kurz darauf brach die Gruppe auseinander, was hauptsächlich dem Drogenkonsum von Williams geschuldet war.

1984 formierte Williams CHRISTIAN DEATH neu, indem er auf Musiker der Formation POMPEII 99 zurückgriff. Neben Gitane Demone (Keyboards) und David Glass (Drums) gehörte nun auch Valor (Gitarre & Gesang) zur Band, der nach dem Ausstieg von Williams im Jahr 1985 deren Kopf wurde. Kurioserweise firmierte auch Williams Ende der Achtziger Jahre wieder unter dem Namen CHRISTIAN DEATH und begab sich mit seiner eigenen Combo, zu der unter

anderem seine Frau Eva O. und Gitarrist Rikk Agnew gehörten, auf Tour. Vor Gericht fielen die Namensrechte jedoch an Valor, sodass Williams fortan unter den Namen „The Original CHRISTIAN DEATH“ und „CHRISTIAN Christian DeathDEATH featuring Rozz Williams“ weitermachte, bis er sich 1998 im Alter von nur 34 Jahren erhängte.

Seit der kreativen Übernahme durch Valor veränderten CHRISTIAN DEATH ihren Sound stark. Während unter Führung von Williams melancholischer Goth-Rock angesagt war, schlug Valor finsterere und zugleich härtere Klänge an. Vielen Goth-Jüngern stieß er damit vor den Kopf, Death- und Punk-Rock-Fans hingegen, die Acts wie die FLESH EATERS, 45 GRAVE oder die SUPER HEROINES zu ihren Faves zählten, waren begeistert. Seit 1991 gehört die niederländische Bassistin Maitri zum Lineup und ist gemeinsam mit Valor das Gesicht der Band. Eine weitere Christian DeathNeuerung der Valor-Formation bestand in der textlichen Aufarbeitung politischer Themen. Die LP „Atrocities“ (1986) prangert beispielsweise die Schandtaten der Nazis an, „American Inquisition“ (2007) stellt eine Abrechnung mit dem Bush-Regime dar und im aktuellen Werk „The Root of all Evilution“ widmet man sich diversen Übeln dieser Welt, allen voran Religionen, staatliche Kontrolle und Geheimbünde.

Christian DeathAm gestrigen Abend hatten CHRISTIAN DEATH keinen leichten Stand und dies aus mehreren Gründen. Zum einen wollte die Truppe nicht wirklich zum Rest des Lineups passen, das bis dato beschwingten, teilweise poppigen Singalong-Punk geboten hatte. Eine Band mit politischen Botschaften, die atmosphärisch finster, teilweise lethargisch und mit Sprechgesang daher kam, machte die bisherige Christian DeathPartystimmung zunichte und veranlasste viele junge Zuschauer dazu, vorzeitig den Heimweg anzutreten.

Und das war schade, denn letztlich sind CHRISTIAN DEATH, gerade in der Besetzung mit Valor und Maitri, ein Manifest des ursprünglichen Goth-Rocks, der nichts mit dem heute fälschlicherweise als Goth-Rock angesehen Elektro-Schlager-Sound von Acts wie UNZUCHT oder ASP zu tun hat, sondern vielmehr ein finsterer, nihilistischer Bastard aus Punk, Gesellschaftshass und Untergangsstimmung ist. Vermutlich werden die Kids, die bereits nach dem zweiten CHRISTIAN DEATH-Song die Halle verließen, die Bedeutung der Formation erst erkennen, wenn sie sich in einigen Jahren mit den Ursprüngen des Genres beschäftigen. Oder eben nie, weil ihnen schicke Klamotten vom Mailorder-Gothic-Shop und Tralala-Refrains wichtiger sind. O tempora, o mores.

Allerdings muss ich gestehen, dass die Amerikaner ihre Setlist nicht unbedingt glücklich gewählt hatten und dass ich sie in früheren Dekaden weitaus besser erlebt habe. Die Magie und Mystik vergangener Auftritte verspürte ich am gestrigen Abend nicht und optisch haben sich Valor und Maitri bereits skurriler präsentiert. Musikalisch konzentrierte sich das Geschehen hauptsächlich auf Songs der neueren CHRISTIAN DEATH-Phase, Klassiker wie „Church of No Return“ und „This is Heresy“ wurden erst gegen Ende der Show eingestreut.

Christian DeathDas Publikum reagierte auf die Darbietung relativ verhalten, was die beiden Frontleute zu „Wake up, Frankfurt!“- Rufen veranlasste, die jedoch auf wenig Resonanz stießen. Irgendwie hatte man den Eindruck, dass nur wenige Besucher mit den Songs der Combo vertraut waren. Vielleicht hat sich das Trio einfach zu lange nicht mehr auf deutschen Bühnen blicken lassen und ist deshalb in Vergessenheit geraten. Aber womöglich hat die aktuelle Tour ja dazu beigetragen, dieser Tatsache Abhilfe zu schaffen. Mich hat es jedenfalls gefreut, CHRISTIAN DEATH nach langer Zeit mal wieder zu sehen und „This is Heresy“ live zu hören.

Links: http://www.christiandeath.com/, https://www.facebook.com/christiandeath/, https://myspace.com/christiandeath, http://christiandeathrozz.bandcamp.com/, http://www.lastfm.de/music/Christian+Death

Text: Marcus / Fotos: Stefan

Alle Bilder:

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