DOPE LEMON & ROAST APPLE

Batschkapp, Frankfurt, 15.09.2022

Dope LemonGeplant war das alles ganz anders. Meine Freundin (die DOPE LEMON bzw. deren Kopf/Chef/Alias Angus Stone einst in das gemeinsame Musikzimmer brachte) und ich freuten uns, Angus mit Band mal in unmittelbarer Nähe erleben zu dürfen. 2020 war das, bevor aus den bekannten Gründen alles zig Mal verschoben wurde. 2020, als wir die Konzerttickets kauften, gab es das aktuelle DOPE LEMON-Album namens „Rose Pink Cadillac“ noch nicht. Der Impact, den dieses Werk auf meine Freundin hatte (und ehrlich gesagt ebenso ein wenig die früheren Tonträger von 2016 und 2019, wenn auch nicht in diesem Ausmaß) war enorm: Ich ging letztlich alleine zum Auftritt in der Frankfurter Batschkapp. Und selbst ich haderte ein wenig.

Im Gegensatz zum Jahr 2013: Damals tourte der durch das Duo mit seiner Schwester Julia bekannt gewordene Angus Stone unter seinem Namen mit dem 2012 veröffentlichten Tonträger „Broken Brights“. Das Rhein/Main-Gebiet Dope Lemonwurde dabei großzügig ausgespart, weswegen wir unseren ersten und leider bisher einzigen Besuch in Hamburg um dieses Event legten. Spielstätte war das „Docks“, das inzwischen zusammen mit der „Großen Freiheit“ wegen Corona-Leugnungs-Plakatierung einen zweifelhaften Ruf in der Hansestadt sowie darüber hinaus innehat. Der Laden platzte aus allen Nähten. Uns war zwar bewusst, dass wir es mit einem Künstler mit sehr eigenem Sound, originärer Vortragsweise und faszinierendem Dope LemonSongmaterial zu tun hatten – so ein Hype unter vornehmlich jungen Menschen schien uns jedoch weit über diese Punkte hinauszugehen. Wurden Songs von Angus bzw. Angus & Julia Stone durch Kanäle geschleust, von denen wir nichts wussten? Oder waren das alles Menschen, die die gleichen Fernsehserien wie wir konsumierten und dort auf die Klänge des Geschwisterpaares stießen?

Dass wir in Hamburg kein bekanntes Gesicht bei dem Auftritt trafen ist nicht besonders überraschend – selbiges traf jedoch auch auf den Besuch der Geschwister Stone im Offenbacher Capitol 2014 zu, über den ich hier mal berichtet habe – und das kommt nach über 40-jähriger Konzertgeherei Dope Lemonin Rhein/Main wirklich nicht allzu oft vor. Wie ein Besuch in einem Parallel-Universum mit ausgesprochen ansprechenden Klängen war das. Ebenso verhielt es sich anno 2022 beim Besuch von DOPE LEMON in der Batschkapp. Bevor die Australier jedoch ihre Töne anstimmten, gastierte eine Band aus Hamburg, die ebenso wie der Headliner einen frugalen Namen für ihre Formation erwählte.

ROAST APPLE eröffneten nur in Frankfurt für DOPE LEMON, ob sie schon einmal in unseren Breiten zu sehen und zu hören waren, entzieht sich meiner Kenntnis. Das Quartett gewann 2014 bei „Talented“, einem bundesweiten Roast AppleMusikwettbewerb. Für Schüler. Damals noch in Nordfriesland heimisch, zogen die Freunde bald gen Hamburg, der Karriere wegen. Sie repräsentierten Deutschland bei der Expo 2015 in Mailand, gewannen einen weiteren Wettbewerb und waren häufig im Fernsehen. So weit, so gut. Oder eben nicht.

Das, was ROAST APPLE in der Batschkapp eine halbe Stunde fabrizierten, machte mich fertig ob der ganzen von mir empfundenen Ambivalenz. Wären ROAST APPLE einfach nur (für mich) uninteressant gewesen, schlecht oder aus anderen Gründen Murks wäre die Sache einfach – ich hätte sie nicht erwähnt. Nicht nur, weil die Flaumbartträger noch Welpenschutz genießen sollten, sondern weil eine Roast AppleMenge dazu gehört, sich vor einer recht prall gefüllten Konzertstätte am anderen Ende der Republik zu präsentieren, wo man sich sein Publikum erst noch erspielen muss. Was ROAST APPLE zweifelsfrei taten.

Dabei half einiges, was wir hier auf der Haben-Seite verbuchen. Da wäre: die musikalische Klasse. Das war schon alles extrem tight gespielt, die Gitarristen beeindruckten besonders. Der zur Linken (Rouven Leonavicius) vor allem wegen seines Spaßes an der eigenen Musik und den lebensfrohen Tanzeinlagen, der zur Rechten wegen seiner an Nile Rogers geschulten Funk- & Discolicks sowie ansprechender Soli. Außerdem: die Uneitelkeit der Roast AppleAkteure. Ich bin kein großer Fan von Uniformen oder Gewandung bei Rockmusik. Aber hier habe ich erstmals die Befürworter davon ein Stück weit verstanden. So. Auf der anderen Seite wären: Songs aus der Resterampe vergangener Dekaden, die in der täglichen Formatradio-Beschallung als „das Beste aus den 80ern bis heute“ gepriesen werden mit völlig egalen Texten. Frisch komponiert und doch von vorgestern.

Roast AppleOkay, kann man machen, wenn man das mag – ich sollte besser ganz still sein mit meiner Vorliebe für 70er Jahre beeinflusste Stoner-Bands. Aber wie kommt man denn auf sowas? Junge Leute, zwischenzeitlich aus der Großstadt, wollen die nix bewegen, verändern, anstoßen? Also, wenigstens kulturell? Das ist Rockmusik für Beamte – den Originalen in Virtuosität verpflichtet, doch keimfrei wie gesellschaftlich komplett irrelevant. Gestrig im widrigsten Sinne.

In den 30 Minuten schafften es ROAST APPLE aufgrund ihrer Positivität und Musikalität jedoch spielend, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Yachtrock traf Funkytown – das klang alles perverserweise auch kein bisschen schlecht. Roast AppleDer Fremdkörper hier war ich mit meinem nihilistischen Metaloutfit, nicht die Jungs auf der Bühne. Vielleicht tue ich ihnen ja Unrecht, wenn ich sie mir weniger als Teil von zum Beispiel Fridays For Future vorstellen kann aufgrund ihrer Klangkunst als zur Untermalung des Jahrestreffens der Jungliberalen. Prove me wrong, und ich werde Buße leisten. Wäre nicht das erste Mal.

Ab kurz nach 21 Uhr etwa konnte man endlich DOPE LEMON erleben. Wer diese Band personell ausfüllte kann ich nicht beurteilen, doch selbst bei bestem Hintergrundwissen hätte man kaum jemanden erkennen können bei dieser Dope LemonBlack Metal-Beleuchtung. Heißt: Gegenlicht. Nebel. Hätte ich an diesem Abend nicht mit gerechnet, aber okay. DOPE LEMON wirkten damit weit krasser, gefährlicher oder wilder als die Band im Vorprogramm. Aber eigentlich war sie es nicht.

Was uns zum Anfang dieses Textes bringt. Meine Freundin hatte vollkommen recht, sich der Vertonung von „Rose Pink Cadillac“ nicht aussetzen zu wollen, wenn die Basis sie schon nicht überzeugen konnte. Hoffnungen, Songs vom Angus Stone-Meisterwerk „Broken Brights“ zu Ohren zu bekommen waren eh obsolet – Stone spielte bereits 2014 mit seiner Schwester nichts davon. In der Batschkapp ebenfalls nicht, ebenso wenig wie die von ihm Dope Lemongesungenen Songs auf Angus & Julia Stone-Platten wie z. B. „Big Jet Plane“. Angus als DOPE LEMON spielt ausschließlich DOPE LEMON. Das ist irgendwie cool, aber auch irgendwie schade. Hauptsächlich deswegen, weil die neuen Songs im Vergleich zu den alten so öde sind.

„Dieses Album bin zu 100 Prozent ich“ gab Angus Stone 2020 dem Rolling Stone zu Protokoll (gemeint war da „Smooth Big Cat“). „…so nah am totalen Eskapismus war der australische Songschreiber bislang noch nicht gewesen“ schreibt Max Gösche ebenda. Vielleicht ist das ja das Problem in Zeiten wie diesen. Das alles schmälert jedoch nicht diesen Auftritt, bei dem das DOPE Dope LemonLEMON-Debüt „Honey Bones“ weit großzügiger bespielt wurde als spätere Alben. Das im Schatten spielende Quintett gönnte sich erstmal ein Bier und tauchte dann so tief wie selbstvergessen in das Material ein, dass auf Platte fade klingende Stücke auf einmal spielerische Tiefe offenbarten, die im Idealfall noch länger hätte andauern können. Aus Laid-Back-Kiffernummern wurden auf einmal Jam-Rock-Meisterwerke.

Dope LemonAngus packte die akustische Axt aus oder ließ sie von seinen Kollegen auspacken. Würden die Herren dabei nicht immer stoppen, wenn es am interessantesten wird, hätte man sich bei einem Rockereignis par excellence wähnen können. „Uptown Folks“ zum Beispiel war ein absoluter Hammer, bis auch da das fantastische Zusammenspiel zwischen Orgel und Gitarre abrupt zum Ende kam. DOPE LEMON 2022 in FFM und Angus Stone in HH 2013 hatten also, trotz komplett anderer Setlist, einige Gemeinsamkeiten. In beiden Fällen wurde das zugrunde liegende Material instrumental veredelt und angedeutet, zu was die jeweiligen Formationen live imstande gewesen wären. Das ist gleichermaßen großartig wie unbefriedigend – ein Abend voller Ambivalenzen also. Bin trotzdem am Ende froh, dabei gewesen zu sein.

Links: https://www.roastapple.com/, https://www.facebook.com/roastapplemusic, https://soundcloud.com/roast-apple-music, https://www.last.fm/de/music/Roast+Apple, https://www.dopelemon.com/, https://www.facebook.com/dopelemon/, https://soundcloud.com/dopelemon, https://www.last.fm/de/music/Dope+Lemon

Text & Fotos: Micha

Alle Bilder:

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