TRASHYLVANIA 2022 – DEAD ELVIS, WOLFWOLF, THEE GRAVEMEN, THE FUZZSTAINZ

Burg Frankenstein bei Mühltal, 24.09.2022

Burg FrankensteinTagestouristen, Wanderer, rastende Mountainbikefahrer und Familien mit kleinen Kindern rieben sich verwundert die Augen: Was war denn das für eine schwarz gekleidete Reisegruppe mit teils schrillen Frisuren und Tattoos, die Burg Frankenstein heimsuchte? Es handelte sich um rund 50 Teilnehmer*innen des Events „Trashylvania“, das Freunde des trashigen Garage Rock Zombie Rock’n’Rolls an ungewöhnlichen Plätzen in ganz Europa zusammenbringt. Unter der Regie der in Schweden lebenden Briten Darren Ward und Lee Thornton, die unter den Pseudonymen Daz Trash und Lee Tea die Garagepunk-Band THEE GRAVEMEN bilden, kam die Community erstmals 2018 auf dem Schloss des Grafen Dracula in Transsylvanien (Rumänien) zusammen. Die zweite Ausgabe des „Trashylvania“-Festes fand in Prag statt, inklusive eines Besuchs der mit Trashylvania 2022menschlichen Knochen verzierten Kapelle im nahe gelegenen Kutna Hora. Die dritte Reise hätte 2020 nach Neapel führen sollen, doch dann machte die Corona-Pandemie allen Horror- und Musikbegeisterten einen Strich durch die Rechnung.

In diesem Jahr konnte die Veranstaltung nun endlich wieder stattfinden – als Zielort auserkoren wurde die Burg Frankenstein nahe des südhessischen Darmstadt auf der Gemarkung der Gemeinde Mühltal. Die Ruine liegt 370 Meter hoch, was zunächst einmal recht niedrig klingt. Das Heraufkraxeln zu Fuß ist aber doch eine kleine Herausforderung, da es nicht immer befestigte Wege gibt und man zuweilen über Stock, Stein und Wurzeln klettern muss. Alle, die diesen sportlichen Ehrgeiz nicht hatten (und das waren die meisten Besucher), konnten allerdings auch mit dem Auto bis fast vor den Burghof fahren. Erstmals erwähnt wurde das Gemäuer im Jahr 1252, es beheimatete später das Adelsgeschlecht der Herren von und zu Frankenstein. Heute ist die Burg ein in der Region beliebter Ausflugsort, an dem besonders in der Halloween-Zeit Jung und Alt bespaßt wird.

The FuzzstainzDas diesjährige „Trashylvania“ begann bereits am Freitagabend mit einer „Warm Up“-Party im Keller der Knabenschule im Darmstädter Stadtteil Bessungen. Dieser Vorlauf sollte zum einen dazu dienen, dass sich die Teilnehmer schon ein wenig kennenlernen konnten und natürlich auch, um den ausländischen Gästen, die per Flugzeug oder Bahn angereist waren, etwas mehr Programm als nur eine Tagesveranstaltung zu bieten. Es spielte das Trio THE FUZZSTAINZ aus Malmö um Mitorganisator Lee Tea (Gitarre/Gesang), außerdem waren DJs am Start. Der „Warm Up Bash“ wurde vornehmlich von Auswärtigen besucht, zugegen waren Engländer, Italiener, Schweden, Schweizer und vermutlich einige Nationen mehr. Einheimische (die auch für schmalen The FuzzstainzEintritt die Show hätten sehen können, ohne am gesamten Programm des „Trashylvania“ teilnehmen zu müssen) sah man kaum. Dies war vielleicht der Tatsache geschuldet, das just am Vortag mit der US-Band CARRIE NATION & THE SPEAKEASY dort hochkarätige Konkurrenz gastiert hatte.

The Fuzzstainz

So begann der Abend mit etwas weniger Publikum als erwartet, aber dennoch furios mit den Schweden THE FUZZSTAINZ, die einen feinen, sofort in die Beine gehenden „Ear piercing garage-punk-slop“ (Facebook) spielen. Die Combo debütierte 2020 mit der Single „Sick! Sick! Sick!“, veröffentlichte 2021 die MC „Stained by Fuzz“ und im September die brandneue EP „Get Stained“. Einen Preis für viel Action auf der The FuzzstainzBühne oder besondere Fisimatenten gewinnt das Trio zwar nicht, es kam aber sehr sympathisch rüber und die Show animierte den einen oder anderen, die nach längerem Sitzen als Sardine in der Economy Class eingerosteten Knochen mal wieder ordentlich durchzuschütteln. Auch das nach dem Konzert mit „spinning garage, punk, and rock-n-roll bangers“ angekündigte DJ-Set wurde gut angenommen, sodass man den Aufgalopp für „Trashylvania III“ durchaus als gelungen bezeichnen kann.

Alle Gäste wurden gebeten, sich am kommenden Tag um 17 Uhr im Hof der Burg Frankenstein einzufinden, wo als nächster Programmpunkt eine Führung durch das Gemäuer vorgesehen war. Dort erwartete die Teilnehmer ein in die Kluft eines Ritters gewandeter Hüne, der sich (wenn ich den Namen richtig verstanden habe) als Burgherr „Falk von Rodenburg und zu Frankenstein“ vorstellte. In den kommenden gut eineinhalb Stunden erzählte der Ritter diverse düstere, aber auch einige witzige Mythen, Legenden und Geschichten rund um die Ruine, englischsprachig zugunsten der zahlreichen aus dem Ausland angereisten „Trashylvania“-Fans. Hin und wieder deutete Ritter Falk aus dem Publikum einzelne Personen aus, die ihm bei Experimenten wie z. B. der Demonstration der Schärfe seines Schwertes zur Seite stehen mussten. Eine Trashylvania Führunglaunige Reise zurück in vergangene Jahrhunderte. Danach war es Zeit, sich in dem der Burg angegliederten Restaurant zu verpflegen und sich für den Konzertabend zu rüsten, an dem mit THEE GRAVEMEN, WOLFWOLF und DEAD ELVIS & HIS ONE MAN GRAVE ein exquisites Line-Up wartete. Für die Schilderung der Eindrücke zu den im „Castle Ballroom“ auftretenden Acts gebe ich nun weiter an meinen Kollegen Marcus.

Es dürfte gut 35 Jahre her sein, seit ich das letzte Mal die Burg Frankenstein besucht habe, damals aus Anlass des jährlichen Halloween-Festivals, das sich allerdings als äußerst überlaufen und nervig erwies, sodass mein Bedarf an weiteren Besuchen zunächst gedeckt war. Ein auf 80 Tickets limitiertes Garage-Punk-Festival entsprach da schon eher meinem Gusto. Und ein Gemäuer, von dem man munkelt, dass es als namentliche Inspiration für Mary Shelleys „Frankenstein“ gedient haben könnte, schien für Acts, die in ihren Songs kleine, schaurige Geschichten erzählen, der ideale Schauplatz zu sein. Die Burg selbst und der Aufstieg zu ihren Toren waren in der Tat imposant, der besagte „Castle Ballroom“, in dem die Bands spielen sollten, sorgte eher für Ernüchterung. Erwartet hatte ich ein finsteres Ambiente, modrige Mauern und Gewölbe, Ritterrüstungen und Leuchter, die mit Kerzen bestückt waren. Tatsächlich fand das Ganze im Nebenraum des in den 70er Jahren erbauten Restaurants statt, der sich im tristen Charme eines konventionellen Saalbaus präsentierte und vor allem lichttechnisch nicht für Konzerte konzipiert war. Der Veranstaltung tat dies jedoch keinen Abbruch. Den etwa 50 bis 60 internationalen Besuchern wurde ein kurzweiliges Programm geboten, bei dem man – auch dies machte das Event außergewöhnlich – von einem Kellner seine Getränke an den jeweiligen Standort gebracht bekam – selbst, wenn man gerade vor der Bühne verweilte.

Thee GravemenLos ging’s gegen 20 Uhr mit den FUZZSTAINZ, die aufgrund der Tatsache, dass die One-Lady-Band BANG BANG BAND GIRL ihren Auftritt abgesagt hatte, ihr Set vom Vorabend noch einmal wiederholten. Zu den Schweden hatte Stefan bereits seine Eindrücke geschildert, daher springen wir zum nächsten Act.

Mit THEE GRAVEMEN fanden sich nun die Veranstalter Devilish „Daz“ Trash (Schlagzeug) und Leadfoot „Lee“ Tea (Gitarre und Gesang) auf der Bühne ein. Die beiden Engländer, die im schwedischen Malmö ein neues Zuhause gefunden haben, lernten sich 2009 in einem englischen Pub des Städtchens kennen und erkannten bereits nach wenigen Bieren ihre gemeinsame Vorliebe für Garage, Horror, die CRAMPS und primitiven Blues-Rock, die noch Thee Gravemenim gleichen Jahr zur Gründung der GRAVEMEN führte. Seither sind zwei Longplayer und diverse Singles erschienen, die trotz vieler vertraut klingender Titel zumeist eigene Songs enthalten. Das Portfolio umfasst auch drei Split-Veröffentlichungen mit DEAD ELVIS, was erklärt, warum auch er Teil des „Trashylvania“-Lineups war.

Thee Gravemen

Live lieferte das Duo das, was man erwarten konnte: primitiven Blues-Trash mit Monsterthematik und gelegentlichen Surf-Anklängen, irgendwo angesiedelt zwischen frühen CRAMPS und Reverend Beat-Man. Optisch und in Anlehnung an den von Boris Karloff verkörperten Charakter in „Der Leichendieb“ aus dem Jahre 1945 machte das Duo eine gute Figur, wobei die Zylinder das einzige Thee GravemenShow-Element bleiben sollten. Die GRAVEMEN gehören sicher nicht zur Speerspitze des Garage-Trash, machten aber großen Spaß und letztlich ist es den beiden Musikern zu verdanken, dass „Trashylvania“ überhaupt geboren wurde. Daz Trash veranstaltet übrigens nicht nur diese Events, sondern auch die Munster Raving Loony Party im spanischen Roda de Bará und die Sisters Tattoo & Art Expo im schwedischen Lund – eine Tattoo-Convention mit ausschließlich weiblichen Künstlerinnen. 

WolfWolfAls nächster Act standen die Schweizer WOLFWOLF auf dem Programm, die mir bis dato unbekannt waren, sich aber als musikalische Wundertüte und klar beste Formation des Abends entpuppten.

WolfWolf

Denn obgleich auch hier lediglich mit Schlagzeug, Gesang und Gitarre agiert wurde, bescherte das Duo eine weit gefächerte musikalische Bandbreite, die sich von schnellem Garage-Trash über finsteren Folk und Blues bis hin zu romantischen Mörder-Balladen erstreckte. Dabei übernahm Mr. Wolf das Schlagzeug und den Gesang, während Mr. Wolf – der heißt tatsächlich auch so – die Gitarrenarbeit beisteuerte. Das Duo veröffentlicht seit exakt zehn Jahren Musik, erschienen sind bisher drei Longplayer, etliche WolfWolfSingles sowie – ganz aktuell – eine EP, die sechs alte Songs enthält, die hier allerdings mit vierköpfiger Orchester-Begleitung (Bass, Banjo, Trompete, Flugelhorn und Trombone) dargeboten werden. Ebenfalls erwähnt sei die Single „Fat Fly“, auf der WOLFWOLF mit niemand Geringerem als dem YELLO-Mastermind Dieter Meier einen von dessen alten Punk-Songs interpretieren. Dies zeugt von der Vielseitigkeit der Band, deren letzte reguläre Scheibe „Metamorphosis“ (2020) Thee Gravemenich an dieser Stelle jedem Garage/Folk/Trash/Blues/Country-Freund ausdrücklich empfehle.

Live wurde ein Querschnitt des bisherigen Schaffens geboten, der u. a. Songs wie „Count Vlad“, „The Blind Butcher“, „Heidi“ und „The Wolves are Coming“ umfasste. Visuell hinterließen WOLFWOLF einen skurrilen Eindruck, der perfekt zum Sound passte: Mr. Wolf – der Singende – präsentierte sich als Mischung aus Unterhemd tragendem  Metzgereifachangestellten und Voodoo-Priester, während Mr. Wolf – der Gitarrespielende – das Elvis-Outfit aus dessen „Jailhouse Rock“-Video auftrug. Die Schweizer wurden zu Recht gefeiert und legten schließlich noch einige Zugaben drauf.

Dead Elvis & His One Man GraveLast but not least gab es ein Wiedersehen mit DEAD ELVIS & HIS ONE MAN GRAVE, über dessen Gastspiele in der Darmstädter Knabenschule vor acht beziehungsweise zehn Jahren wir bereits hier und hier berichtet haben. Damals hatten wir von dem Niederländer erfahren, dass er nur ebendiese eine Maske besitzt und sie nach und nach zerfällt. Dies war nun – zehn Jahre später – deutlich zu sehen. Zwar hatte der Mann hinter der Maske diese auf der Rückseite geflickt und zusammengebunden, doch die starke Verfärbung war nicht zu übersehen. Präsentierte sich die Gummioberfläche vor einer Dekade noch in einem gelblichen Weißton, ist dieser inzwischen einem dunklen Grau gewichen und man darf gespannt sein, wie die Verfärbung und der Zerfall in den nächsten Jahren fortschreiten.

Dead Elvis & His One Man GraveMusikalisch hat sich indes nichts geändert: Geboten wurde trashiges Gitarrengeschrammel mit hysterischem Gesang, das in den Pausen von kleinen Anekdoten unterbrochen wurde, die im nuschelnden Elvis-Slang erzählt wurden.

Dead Elvis & His One Man Grave

Das Ganze war einmal mehr schräg, skurril und als Abschluss des Spektakels die richtige Darbietung, da DEAD ELVIS vom Show-Aspekt die meiste Energie lieferte und außerdem nach seinem Set noch durchs Publikum schlenderte und sich mit seinen Fans fotografieren ließ. Als Solo-Act wäre mir der Auftritt wohl zu langweilig gewesen, im Rahmen des Band-Packages und im Schatten der Burg machte das ganze Event jedoch richtig Laune.

Dead Elvis & His One Man GraveAn welchen Ort uns „Trashylvania“ IV wohl entführen wird? Gerüchteweise war von Slowenien die Rede. Zum Abschluss legte die Frankfurter Künstlerin, Galeristin und DJane Tula Trash noch einige kultige Horror-Hop-Classics auf – jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, da ihr der Strom abgedreht wurde, weil die Belegschaft des Restaurants Feierabend machen wollte. Ein etwas unschöner Ausklang des Abends, aber schließlich diente hier kein Konzertclub als Veranstaltungsort, sondern der Nebenraum eines biederen Restaurants. Den Heimweg traten wir schließlich bei Nieselregen und dichtem Nebel an, sodass uns doch noch ein wenig Gruselstimmung in die Nacht begleitete…

Dead Elvis & His One Man Grave

Links: https://daztrash.wixsite.com/munster-raving-loony/about-3, https://www.frankenstein-restaurant.de/die-burg, https://www.facebook.com/fuzzstainz/, https://soundcloud.com/fuzzstainz, https://fuzzstainz.bandcamp.com/, https://www.facebook.com/TheeGravemen/. https://www.reverbnation.com/theegravemen, https://soundcloud.com/daztrash, https://www.wolfwolfband.com/, https://www.facebook.com/thewolvesarecoming, https://wolfwolf.bandcamp.com/, http://www.hisonemangrave.com/, https://de-de.facebook.com/onemangrave/, https://onemangrave.bandcamp.com/

Text & Fotos (19): Marcus
Text & Fotos (5): Stefan
Foto Burg: lapping /pixabay
Illustration: sethJreid /pixabay

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