SIVERT HØYEM & JONAS ALASKA

Brotfabrik, Frankfurt, 18.03.2016

Sivert HøyemNorwegen. Land der Kälte, der Fjorde und diverser Krimischreiber. Passt ja, wenn es da ständig dunkel ist. Genau wie Black Metal. Stand dort in voller Blüte – und die Pflänzchen dazu waren die brennenden Kirchen. Doch abseits des Klischees muss konstatiert werden, dass die Masse an großartigen Musikern aus diesem Land schwindelig macht. Metal. Punk. Jazz. Avantgarde. Sogar Hip Hop. Pop. Oft sehr düster – von nachtblau bis pechschwarz. Komischerweise ist die Suizidrate Norwegens gar nicht so hoch wie man aufgrund der Dunkelheit annehmen mag – bei den „lustigen“ Finnen ist sie weit höher. Vielleicht liegt es daran, dass so viele Norweger ihren „Blues“ kreativ nutzen. Einer, der bei diesen Nutzern weit vorne mitspielt, ist Sivert Høyem.

In den Nullerjahren war Høyem Mitglied von MADRUGADA – einem enorm erfolgreichen Rockexport aus Norwegen. Die Mischung aus melancholischen bis tieftraurigen Themen, unterlegt von kraftvollem Indie-Rock und dargeboten mit Sivert Høyemdem unvergleichlichen Timbre des Sängers Høyem, zündete überall auf dem Globus und ließ die Formation zum Beispiel auch die alte Frankfurter Batschkapp füllen. Doch 2007 verstarb Gitarrist Robert Burås (wie und warum hielt die Combo geheim) – ein letztes Album wurde noch vollendet, dann starb auch die Band. Høyem veröffentlichte schon vorher Soloalben, die dem Schaffen seiner Hauptgruppe in Sivert Høyemmeinen Ohren nicht das Wasser reichen konnten – doch seitdem diese Geschichte ist finden sich auch viele Songs auf seinen Scheiben, die gut zu MADRUGADA passen würden. Sechs Alben sind es inzwischen. Manchmal bringt Høyem sie solo zu Gehör. Und manchmal, wenn man Glück hat, mit Band. Ein solches Event fand nun gestern in der Frankfurter Brotfabrik statt.

Als Opener fungierte der ebenfalls aus Norwegen stammende Jonas Alaska (eigentlich: Jonas Aslaksen. Wäre ein gutes Alias für Frankfurter Rapper, Jonas Alaskanebenbei). Der stand solo auf der Bühne und faszinierte mit einer Performance, die seine bitterbösen und tieftraurigen Songinhalte fast Lügen straft. Bevor er Moritaten von furchtbaren Geschehnissen im zwischenmenschlichen Bereich feilbot machte er sich lustig, dass nun „ein extrem trauriges Lied kommt, bevor Sivert Høyem dann weiter düstere Stücke darbietet“, grinste dabei und schnallte seine Mundharmonika um, wie weiland der Heiland des Songwritertums. Also Dylan. Oder meinetwegen Jake Bugg, für alle 20-Jährigen. Jonas Alaska kennt jedoch seinen Dylan – er ähnelt Jonas Alaskaihm nicht nur in Wortspiel und Vortrag, er brachte am Ende sogar noch eine abgewandelte, rotzfreche Version eines Dylan-Klassikers und münzte sie in seine Welt um. Fand ich ziemlich gelungen. Ob er bei den ganzen, die ersten zwei Reihen des Publikums dominierenden Ü30-Ladies über ein „süß“ damit hinwegkam, vermag ich nicht zu sagen. Sein Vortrag versprach jedoch vieles für einen Headlinerbesuch.

Stichwort Ü30-Ladies: Man muss Sivert Høyems Stimme hören, um das zu verstehen. Meine „innere Frau“ tut das und weiß, warum die Damenwelt wuschig wird, wenn Høyem singt. Oder spricht. Oder das Telefonbuch zitiert. Sivert HøyemDiese Stimme hilft über so manchen blöden Track hinweg, dessen Relevanz sich beim Hören der Alben nicht unbedingt erschließt. Sogar SATYRICON (Norwegens Black Metal-Innovatoren oder Sell-Outer, je nach Lesart) lassen Høyem auf dem Werk „Satyricon“ von 2013 schmachten, das schadet nicht, ganz im Gegenteil. Seine Stücke aber, auch auf der neuen LP „The Lioness“: Ja, gut. Sivert Høyem BandKann man hören. Muss man aber nicht, bis auf etwa drei. Das ist so meine Quote auf jeder Sivert Høyem-Scheibe. Aber live…? Herrschaften… Da wird der blödeste Radiosong zur Mitgehhymne. Sicherlich auch ein Verdienst der überragenden Mitstreiter.

Überhaupt war das eine unglaublich gute Band. Leider schreibt Høyem auf seiner Facebook-Seite nicht auf, wie die Leute heißen und ich habe mir die Namen beim Vorstellen nicht gemerkt – aber Schlagzeuger, Gitarrist #1 für die Sivert Høyem BandWestern-Sounds (Cato Salsa), Gitarrist #2 und Organist (Christer Knutsen) sowie Bassist machten ihren Job großartig. Fett, in neudeutsch. Ebenso präsent war der Roadie, der vor dem MADRUGADA-Song „Honey Bee“ Gitarren auswechseln musste und ständig auf der Seitenbühne sichtbar dafür sorgte, dass die nächste Klampfe auch korrekt gestimmt war. In die Setlist schafften es etwa vier MADRUGADA-Sivert HøyemTracks, nicht meine liebsten Nummern von denen, aber das ist mein Problem. Als Sivert Høyem am Ende, nach der Zugabe, versprach, nach einer kurzen Regenerations- Pause alles, wirklich alles zu signieren, war klar, dass er den Auftritt ebenso genossen hatte wie alle anderen, die ihm in der gut gefüllten Brotfabrik zu Füßen lagen. Auch die Männer. Auch ich. Freue mich auf das nächste Mal.

Links: http://jonasalaska.com/, https://www.facebook.com/Jonas-Alaska/, https://myspace.com/jonasalaska, https://soundcloud.com/jonasaslaksen, http://www.last.fm/de/music/Jonas+Alaska, http://www.siverthoyem.com/, https://www.facebook.com/sivert.hoyem, https://www.instagram.com/siverthoyem/, http://www.last.fm/de/music/Sivert+Hoyem

Text, Fotos & Clips: Micha

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