WILLIE NILE

Nachtleben, Frankfurt, 27.11.2013

Lemmy ist schuld. Wäre er, wie in allen möglichen Rockmagazinen bei Erscheinen des neuen MOTÖRHEAD- Albums vollmundig versprochen, bei bester Gesundheit, hätte ich mein schütteres Mähnchen gestern in der Jahrhunderthalle durch die Gegend geschoben, umgeben von einigen 1000 weiteren Feiersüchtigen. So musste ich notgedrungen meine Aufmerksamkeit auf jemand anderen lenken, schließlich war ein Konzertbesuch fest eingeplant. Dave Hause bot sich noch an. Der US- amerikanische Folk-Punker hat im vergangenen Jahr THE GASLIGHT ANTHEM in Frankfurt von der Bühne geblasen und außerdem bei der Revival-Tour 2011 einen guten Eindruck bei mir hinterlassen, also warum nicht? Ich studierte gerade die Batschkapp-Website, um zu schauen, ob es noch Tickets für den Abend gab, da entdeckte ich, dass sich die Kapp mit einem weiteren Singer/ Songwriter im Nachtleben selber Konkurrenz macht. Willie wer? Willie Nile. Der Mann aus Buffalo, New York, ist fast doppelt so alt wie Dave Hause, mir völlig unbekannt, aber mit beeindruckendem Renommee. Mit Springsteen hat er die Bühne geteilt, Lucinda Williams liebt Songs von ihm, THE WHO hat er auf Tour begleitet. Wieso kennt den hier kein Schwein?

Naja, ein paar Gestalten hatten sich ja außer mir noch ins Nachtleben verirrt. Mit meinen fast 50 Jahren entsprach ich bei vorsichtiger Schätzung ungefähr dem Altersschnitt, die Herren um den Support-Act Jefferson

Grizzard (Fotos rechts und unten) auf der Bühne erschienen mir sogar noch älter. Grizzard selber ist jedoch weitaus jünger, hat erst ein oder zwei Alben draußen und eifert den großen Singer/ Songwritern der Siebziger zwischen Country, Blues & Rock’n’Roll nach. Nicht ohne Finesse, aber (vielleicht ob der Leere im Saal) etwas verkrampft und mit Platitüden, die ihm sowieso keiner abnahm („ … grummel … hi, I’m Jefferson Grizzard … grummel … thank you for coming … grummel … it’s a pleasure to be here … grummel … “). Dass ein Bob Dylan-Cover für die meiste Stimmung sorgte schien ihm auch nicht besonders recht zu sein („Das war von Dylan … grummel … jetzt kommt aber ein weiterer Jefferson Grizzard-Song“). Seine Band war aber mit Herzblut und Begeisterung bei der Sache. Das Album „A crack in the door“ ist mehr als gelungen, live kam aber, zumindest bei mir, nicht soviel davon an.

Abgang nach etwa einer Dreiviertelstunde, kurzer Umbau. Willie Nile saß während seines Supports auf einem bequemen Sessel und betrat kurz nach 21 Uhr die Bühne, im Gegensatz zu seinem Vorprogramm von weitaus jüngeren Musikanten als er selber flankiert. Auch, was das Energielevel angeht, konnte man nun eine ganz andere Generation als vorher beobachten. Dass der Club an der Konstablerwache mit etwa 40 Besuchern weit davon entfernt war, Madison Square Garden-Atmosphäre zu versprühen, schien den

guten Mann kein bisschen zu kratzen, im Gegenteil: Nile versicherte glaubhaft, dass es bei einer guten Party egal sei, wieviele Gäste da sind, wenn das Feiern Spaß macht, und das tat es.

Die eingängigen Rocksongs der Springsteen-Schule liefen mir auch beim ersten Hören gut rein, aufgelockert wurde das Geschehen durch gelegentlich eingestreute Cover von z.B. Buddy Holly („Not Fade Away“) , Lou Reed (aus aktuellem, traurigen Anlass – Nile beschrieb noch ein Treffen kurz vor Reed’s Tod und brachte „Sweet Jane“), LED ZEPPELIN („Rock’n‘ Roll“, gesungen vom Bassisten) und in der letzten Zugabe, als schon auf Zuruf gespielt wurde, „Blitzkrieg Bop“ von den RAMONES. Das hatte vom Energielevel schon Punkrock-Qualitäten. Zwei der drei anwesenden Damen im Saal wurden zum Feiern auf die Bühne geholt, nachdem eine bei dem vom Sänger am Piano vorgetragenen „Love is a Train“ schon als Übersetzerin und Deutschlehrerin gecastet wurde („Liebe ist ein Zug – that doesn’t make sense!“).

Nile ließ sich Gitarre spielend auch schon mal ins Publikum hinab und wurde nicht müde zu betonen, wie klasse das heute im erstmals von ihm besuchten

Frankfurt sei und eine Stimmung vorherrsche, als wären 10.000 im Saal. Von seinen eigenen Songs blieb das riffstarke „People who died“ gleich bei mir kleben – ein Stück, in dem er den Tod diverser Mitmenschen verarbeitet und bei dem man gar nicht anders konnte als rumzuspringen und den Refrain mitzugrölen. Kurios. Nach dem knapp 100-minütigem Konzert signierte Nile CDs und bat darum, von dem Konzert Kunde zu tun, damit nächstes Mal vielleicht doch ein paar Leute mehr erscheinen. Was hiermit sehr gerne geschehen ist.

Links: http://www.willienile.com/, https://myspace.com/willienile, http://www.reverbnation.com/willienile, http://www.lastfm.de/music/Willie+Nile, http://jeffersongrizzard.com/, https://myspace.com/jeffersongrizzard, http://www.reverbnation.com/jeffersongrizzard, http://www.last.fm/music/Jefferson+Grizzard

Text & Fotos: Micha

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