BLOW OUT & MOSCOW DEATH BRIGADE

Au, Frankfurt, 11.02.2017

Blow OutEs war ein ungewöhnliches Band- Package, das sich am gestrigen Abend die Bühne der Frankfurter Au teilte. Der brachiale Hardcore der hessischen Newcomer BLOW OUT (links) hätte musikalisch nicht weiter vom Hip-Hop- Sound der russischen MOSCOW DEATH BRIGADE entfernt sein können und dennoch hatten die beiden Formationen eines gemein: die Vorliebe, sich vermummt zu präsentieren. Während bei den Russen gute Gründe für den Mummenschanz sprechen, auf die Kollege Stefan später eingehen wird, sind es beim Opener BLOW OUT eher show- und imagetechnische Gründe, die das martialische Auftreten rechtfertigen.

Die Band, zu Teilen hervorgegangen aus den leider verschiedenen NIETNAGEL und den kultigen Country-Rockern HEINRICH XIII, hat es sich zum Ziel gesetzt, den Terror der Welt, der sich täglich in grausamen Bildern in den Medien Blow Outmanifestiert, auf die Bühne zu bringen – musikalisch wie optisch. Und wie ließe sich das Böse besser visualisieren als durch okkulte Insignien: Hinter Schlagzeuger Jay Decay schwebte eine schwarze Mönchskutte mit Teufelssignet auf der Brust und in vorderster Front agierten, von umgedrehten Kreuzen flankiert, die Herren Abracadabra Asshole (Bass), El Gore (Gesang) und Death Forester (Gitarre) als Blow OutZeremonienmeister des Bösen – eine Szene wie aus einem schrägen Paul-Naschy-Film aus den Siebziger Jahren, lediglich der Nebel fehlte.

Musikalisch wurde Knüppel-aus-dem-Sack-Hardcore, von den Jungs selbst als Murder-Punk bezeichnet, geboten, der sich in etwa als Mischung aus frühem Black Metal der Marke VENOM oder MIDNIGHT und brachialen Hardcore vom Kaliber einer Band wie OUT COLD beschreiben lässt. Songs wie „Schwitzkaste“ und „Nagelhagel“ waren kurz, wie ein Schlag in die Fresse, und verfehlten ihre Wirkung auf das Publikum nicht. Die Meute vor der Bühne tobte wie besessen und wie man es selten zuvor in der Au erlebt hat. Blow OutHöhepunkt der Show war schließlich eine „Blutmesse“, bei der der Bassist ausgewählte Jünger im Publikum weihte – großes Kino (aus den 70ern), KISS wären stolz gewesen. Unterm Strich war‘s ein furioser Auftritt einer Combo, von der man hoffentlich noch viel hören wird. Wer auf Old-School-Hardcore, frühen Black Metal, Horrorfilme und unterhaltsame Show-Elemente steht, der sollte sich den Namen BLOW OUT schon mal mit einem scharfen Messer in den Unterarm ritzen!


Da in meiner Welt Hip-Hop keine musikalische Daseinsberechtigung hat, übernimmt nun Kollege Stefan die Berichterstattung.

Danach stand der Hauptact des Abends (oder war es mehr ein Co-Headliner?) auf dem Plan: Die Maskenmänner von MOSCOW DEATH BRIGADE. Sie erinnern mit ihrem martialischen Sturmhauben-Outfit und Auftreten sowohl an ihre russischen Landsleute SIBERIAN MEAT GRINDER (deren Mitglieder teilweise identisch sind) als auch an die deutsche Combo GUERILLA, die mich, ebenfalls in der Au, im Dezember 2005 begeistert hatte. Während die letztgenannte, inzwischen leider längst aufgelöste Formation allerdings einen feinen, mehr oder weniger Moscow Death Brigademelodiösen Hardcore-Punk zum Besten gab, setzen die Jungs von MDB auf einen Hybrid zwischen Rap, Hardcore und Metal.

Die Moskowiter, deren Vermummung darauf zurückzuführen ist, dass man aufgrund von gewalttätigen Übergriffen von Neonazis unidentifizierbar bleiben wollte, taten sich vor rund zehn Jahren zusammen. Sie pausierten zwischen 2010 und 2014 und brachten gleich nach ihrer Reunion die Platte „Hoods Up“ heraus, auf der sich illuste Tracks wie „Ghettoblaster“, „Cut Off Your Tongue“ und „Straight Outta Moscow“ befinden. Es folgten Splits mit ihren einheimischen Buddies WHAT WE FEEL sowie FEINE SAHNE FISCHFILET und LOS FASTIDIOS. Zu ihren kontrovers diskutierten politischen Aktivitäten äußerte sich die Band in einem Interview mit dem Ox-Fanzine im Frühjahr 2015, nachzulesen hier.

Moscow Death BrigadeAuf der Bühne der Au wurde es indes übersichtlich: Keine Instrumente, lediglich der Tisch einer Bierzeltgarnitur im hinteren Bereich mit den technischen Gerätschaften darauf, nahm ein wenig Platz ein. Viel Raum also für die Akteure, sich da auszutoben. Der lange Schlaks der Truppe drückte jeweils den „Play“-Knopf, um die Hip-Hop-Beats einzuspielen und drehte hier und da an verschiedenen unidentifizierbaren Rädchen, um anschließend samt seinem Mikrofon zu seinem agitatorisch Polit-Texte rappenden Kompagnon an den Moscow Death Brigadevorderen Rand des Podests zu stoßen. Der dritte Mann im Bunde, eher schmächtig gewachsen von Statur, war full-time mit Tanzen und Anheizen des Publikums beschäftigt.

Und die Gästeschar in dem knapp an der Ausverkauft-Grenze gefüllten Club ließ sich nicht lange bitten: Was bei den schnellen Songs los war, habe ich bei weit mehr als 200 Shows in den vergangenen fast 25 Jahren in der Au nicht oft in dieser Form gesehen. Ein richtig heftiger Aggro-Pit, der manchem Teilnehmer Moscow Death Brigadeblau-gelb-marmorierte Muster auf der Haut beschert haben dürfte. Und mit der Hitze, die sich durch die vielen Dutzend transpirierenden Leiber im Kellerraum bildete, hätte man bei den draußen herrschenden, eisigen Temperaturen wohl mehrere Einfamilienhäuser heizen können.

Interessant fand ich (als jemand, der sonst nicht bei Rap-Shows zuhause ist), dass die Spannungskurve sogar in den Pausen zwischen den Stücken nicht abriss, wie das bei einem Punk-Konzert der Fall gewesen wäre. Nach den jeweiligen Songs und dem teils frenetischen Applaus gab es häufig eine halbe Minute Zeit, in der sich sowohl das Trio als auch das Publikum zu sortieren schienen, um dann beim Erklingen der ersten Töne eines neuen Stückes wieder Moscow Death Brigadeabzugehen wie das viel beschworene Zäpfchen. Selbst die Band ließ am Tag nach dem Gig via Facebook verlauten: „Total circle pit hip-hop mayhem in Frankfurt, in legendary AU! Amazing crowd and insane support – we’re always proud to perform here!“. Das spricht für sich.

Bei einem der Tracks erklomm ein bekanntes Gesicht die Bühne: Olaf, Frontmann, Sänger und Saxophonist der heimischen Combo STAGE BOTTLES, Moscow Death Brigade machte das Trio für ein paar Minuten zum Quartett. Textlich nehmen sich die beiden befreundeten Bands nicht viel: Auch bei der MDB geht es vornehmlich um Anti-Faschismus, Anti-Rassismus, Anti-Bullen und Anti-Globalisierung. Der Erwähnung wert in Zusammenhang mit Letzterem, dass die Plakate und Flyer zur laufenden „One For The Ski Mask“-Tour ein mit Sturmhaube maskiertes Moscow Deat Brigade TourflyerLacoste-Krokodil samt Bolzenschneider ziert, die Bandmitglieder aber unter anderem in Klamotten von Lacoste und Nike gewandet waren. Weiß man womöglich doch die Produkte der Global Players als Statussymbole zu schätzen und ergibt sich da nicht ein Widerspruch? Wer mehr weiß, bitte mal unten die Kommentarfunktion nutzen und mich (und andere) aufklären.

Am Ende des Tages war es ein intensiver, mitreissender Auftritt, bedingt durch einen Rhythmus, bei dem man mit musste – auch wenn man nicht unbedingt Fan des Genres Hip-Hop ist. Die Energie und die Aggressivität, die im Rahmen einer solchen Show transportiert wird, ist schon eine besondere Erfahrung. Auch gerne ohne blau-gelb marmorierte Haut.


Links: https://www.facebook.com/blowout666mvrderpunk/, https://blowout-murderpunk.bandcamp.com/, https://www.facebook.com/moscowdeathbrigade/, https://moscowdeathbrigade.bandcamp.com/, https://soundcloud.com/moscow-death-brigade-one-for-the-ski-mask, http://www.last.fm/de/music/Moscow+Death+Brigade

Text (BO): Marcus / Text (MDB): Stefan
Fotos: Boris, http://www.borisschoeppner.de/

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