JOHN GARCIA, STEAK, KOMATSU

Zoom, Frankfurt, 9.12.2014

John Garcia„Und? Bist Du aufgeregt?“ tönt die Frage ein paar Zentimeter hinter meiner linken Schulter. Es ist eng. Es ist warm. Die Menschheit im Zoom rückt zusammen um auf seine Ankunft zu warten. „Und? Bist Du’s?“ Eigentlich nicht. Ich bemerke aber den Legendenalarm, der hier herrscht. John Garcia (links), Sänger solcher Weltklassetruppen wie KYUSS und einiger Epigonen wie SLO BURN, UNIDA, HERMANO und VISTA CHINO, die vor knapp einem Jahr noch die alte Batschkapp gerockt haben, steht gleich auf der niedlichen Bühne des Frankfurter Clubs. Bei den beiden Bands vorher war noch ein distanziertes, höfliches Interesse spürbar; jetzt allerdings wird geschoben und gequetscht.

Ich weiß nicht recht, was ich meinem Hintermann sagen soll: Die Wahrheit könnte vielleicht verletzend sein für solch Die Hard-Fans. Ich probiere es trotzdem und setze dabei mein Motörhead-Shirt als Argumentationshilfe ein: John Garcia„Wenn meine Lieblingsband hier jetzt spielen würde,“ hole ich aus und versuche, bei dem Gedränge auf meinen Bauch zu zeigen, „dann wäre ich es wohl auch. KYUSS mag ich, ist aber keine Lieblingsband von mir!“. Gesagt. Mein Hintermann zögert und nickt dann verständnisvoll: „Das Alter!“ argumentiert er, „Daran merkt man das. Ich bin 32, du eben 42!“ Damit war das Thema zum Glück erledigt. Alte Säcke bleiben ewig bei ihrer John GarciaLieblingsmusik kleben, war da wohl der Subtext. Aber ich will mich nicht beschweren, schließlich hat mir der freundliche Herr satte sieben Jahre Lebenszeit abgezogen.

Am Anfang des Abends, so eine Viertelstunde nach dem Einlass, da ging es noch beschaulich zu im Zoom. Ich durfte meine große Kamera während der Vorbands einsetzen und drei Songs lang bei John Garcia – eine Nachricht, die mich sehr freute und mich das Ganze mit einem Sauergespritzten feiern ließ; gescheites Bier wird im Zoom ja leider bekanntlich nicht ausgeschenkt. Während ich mich lässig an die Theke zu lehnen versuchte hatte ich Blickkontakt mit einem großgewachsenen Grauhaarigen, wir nickten uns zu John Garciaund ich dachte, ja wir Rockstage-Schreiber, überall bekannt, was soll man machen. Der nette Mann kam zu mir, „Wir kennen uns doch“, sicher, denke ich. Bin ja fast überall, ich bunter Hund. „Wacken?“ engt er die Möglichkeiten unseres Treffens ein, „Rock Hard-Festival?“ „Hm“, meine ich, „Weniger. Hammer Of Doom?“ „Nö“ meint er. „Ich weiß: Metalkreuzfahrt!“ Auch nicht. Bunte Hunde haben wohl Allerweltsgesichter, sah ich zerknirscht ein. Der Radius des Herrn aus Köln war doch ein wenig größer als der meinige, was solls, kannten wir uns halt nicht. Ist ja jetzt korrigiert. Der Gute hat mich später noch mal so richtig deklassiert, als er bei den ersten KYUSS-Songs im Pit (ja, das kann man durchaus so nennen in diesem Fall) nicht nur das Geschiebe, John GarciaGespringe und Geschubse aushielt; nein, er schien auch noch sichtlichen Spaß daran zu haben und machte fleißig mit, trotz friedhofsblondem Schopf und einem halben Jahrhundert Lebenserfahrung auf dem Buckel. Das forderte meinen Respekt und soll mir in Zukunft als Inspiration dienen, wenn ich mal wieder den „Drake-Effekt“ verspüre. Was das ist, werde ich demnächst an dieser Stelle kund tun.

Der nette Kölner hatte das ganze Package ebenda schon einmal gesehen und war ganz entzückt vom Opener der Show, KOMATSU aus Eindhoven, NL. Der Name steht für eine Stadt in Japan, eine Figur bei Haruki Murakami, einen Komatsujapanischen Konzern und tausende Privatpersonen mit diesem Namen. Auf wen sich die Band diesbezüglich genau bezieht, weiß ich nicht; musikalisch war das schon etwas leichter festzustellen: KYUSS stand hier zweifelsohne Pate und alles, was im Gitarrenrock sonst noch so lässig und kraftvoll zugleich ist. Den großen Abstand zwischen Band und Publikum nutzte ich anfänglich alleine aus, my own private KomatsuFotograben, quasi. Ich mag mir das einbilden, aber: Nach dem einen oder anderen leicht irritierten Blick schienen sich die Axtschwinger vorne noch mal extra in Pose zu werfen, so mein Eindruck. Breitbeiniges Boxenbesteigen gehört natürlich von vornherein zu dieser Art von Musik, aber die Lust daran wuchs während des Auftrittes enorm. Das Volk blieb offenmundig distanziert, aber sehr angetan. Ein Besuch des noch harmlosen Pits von Bassist Martijn Mansvelders (links) zog dann ein paar Nasen näher, insgesamt war das aber noch keine Party. An der Band lag das nicht. Die war ganz große Klasse, voller Spielfreude, toller Songs und einer Hommage an den heutigen Leitwolf: „Hail to the King“ (siehe Videoclip) wurde John Garcia gewidmet.

Nach einem zweiten und letzten Äppler (der Magen. Ich sag Euch.) sowie einer kleinen Umbaupause kam die nächste Combo, STEAK. Ich weiß nicht, warum man seine Band so nennt. Googelt die mal. Was für Assoziationen sollen denn hier Steakherauf beschworen werden? Die Hausband der „Beef“- Leserschaft? Vegetarier, bitte draußen bleiben? Oder gibt es noch eine Bedeutung des Wortes, die mir nicht gewahr ist? Wobei STEAK ja noch geht; eine andere Band nennt sich STEAK NUMBER EIGHT, wo Eins bis Sieben geblieben sind, weiß ich nicht. Hier wird scheinbar Archaisches bemüht, eine EP von 2013 heißt „Corned Beef Colossus“ und ist gar Steaknicht mal übel. Etwas räudiger, der Sound des Fleisches, als der der Niederländer. Etwas blasser dagegen der Sound des Mikromannes; auch wurde hier weniger das Publikum mit einbezogen als vorher. Das machte aber nicht viel aus: Die Menge war schon einige Schritte näher als zuvor beim Geschehen und sah dem selbstvergessenen Treiben der Londoner gebannt zu. Zumindest der Teil, der nicht eine bis drei rauchen war.

„Tragen alle Fotografen eine Weste?“ Das Repertoire an dubiosen Fragen aus dem Becks-fahnigen Mund meines Hintermannes schien riesig, ich wollte vielleicht doch nicht so lange an dieser Stelle stehen bleiben. Aber ich hatte sowieso nur drei Songs Zeit, Garcia und Band adäquat abzulichten; und als die John GarciaMusikanten die Bühne enterten und als erstes den „Caterpillar March“ anstimmten, jubelte ich nur verhalten. Schönes Stück, aber instrumental. Garcia kam erst beim zweiten. Das war „Rolling Stoned“ vom, ziemlich großartigen, neuen Soloalbum mit dem schlichten Titel „John Garcia“. Ein lässiger Start, der vom nächsten KYUSS-Song abgelöst wurde: „One Inch Man“ vom Album „…and the Circus Leaves Town“, das erste Lied von KYUSS, dass ich dank MTV in den 90ern bewusst John Garciawahrgenommen habe. Obwohl eher Midtempo, geht der Mob von Null auf Hundert: Der Fragensteller rastet aus, der Kölner geht steil und alle drumherum sowieso. Garcia hat eine Stimme zum Niederknien, dirigiert mit minimalsten Körpereinsätzen seine Jünger und sieht dabei auch noch unverschämt gut aus. Allerdings etwas angestrengt. Ich würde darauf wetten, dass der Mann häufig Schmerzen hatte, so oft wie ihm die Gesichtszüge kurzzeitig entgleisten oder er zusammenzuckte, um danach weiter zu machen. Vielleicht spinne ich ja.

John GarciaSchmerzfrei spielten jedenfalls die drei coolen Säue um den Meister herum: Die Tourband bestand aus dem Gitarristen Ehren Groban (rechts) von einer Band namens WAR DRUM sowie dem Bassisten Mike Pygmie und dem Drummer Greg Saenz, beide von einer Combo namens YOU KNOW WHO, die der Meister auch ausdrücklich empfahl. Bei den DWARVES soll letzterer auch spielen, wenn das jetzt nicht mal John GarciaLegendenalarm galore war. Dabei braucht Garcia diese Referenzen nicht; sein Songmaterial ist erlesen, eben auch das seiner Soloplatte, KYUSS-Fans wurden mit geschätzten sieben Songs jener Truppe zufriedengestellt, einer von SLO-BURN soll auch dabei gewesen sein, kannte ich nicht. Begeisterte Köpfe wurden geschüttelt, auch in den spärlicher besuchten, hinteren Reihen und niemand hatte was zu meckern, kommt ja auch nicht so oft vor. Als der Meister gegen Mitternacht endete, hatten wir alle über drei Stunden Live- Musik hinter uns, stürmten den Merchstand und die Garderobe und bekamen dieses blöde Grinsen einfach nicht mehr aus dem Gesicht. Danke dafür. War aufregend.

Links: http://www.komatsurock.com/, https://www.facebook.com/komatsurock, https://myspace.com/komatsurock, http://www.lastfm.de/music/Komatsu, https://www.facebook.com/steakuk, http://www.lastfm.de/music/Steak, http://steakmusic.bandcamp.com/music, https://www.facebook.com/JohnGarciaOfficial, http://www.lastfm.de/music/John+Garcia

Text, Fotos & Clips: Micha

Alle Bilder:

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