DUDEFEST 2019, PART III – SAINT VITUS, DOPELORD, ULTHA, SABBATH ASSEMBLY, MESSA

Jubez, Karlsruhe, 3.05.2019

Saint VitusDrei Tage nach dem Dudefest Part II zog es uns zurück nach Karlsruhe zum Dudefest Part III. Metal stand an diesem Abend auf dem Programm – alter Metal, neuer Metal, religiöser und atheistischer, schneller und langsamer. Fünf Bands, fünf Subszenen: Innovativer Doom mit MESSA, religiöser Retrohardrock von SABBATH ASSEMBLY, staubtrockener Sludge durch DOPELORD, ULTHAs Psycho-Black Metal sowie, zum krönenden Abschluss, Old School Doom der Großmeister SAINT VITUS. Das alles einmal mehr auf den zwei Bühnen des Jubez, doch dieses Mal dankenswerterweise mit mehr Licht als an gleicher Stelle drei Tage zuvor. Fast immer. Der Besuch von vier der fünf Combos war für mich überfällig, aus verschiedensten Gründen.

Auf den Opener MESSA aus Italien war ich ganz besonders scharf. Zwei Alben gibt es von denen inzwischen, von der Kritik gelobt sowie von immer mehr Underground-Hörern empfohlen. Das Quartett aus Padua bei Venedig Messafühlt sich inspiriert von musikalischen Visionären verschiedenster Richtungen, darunter u. a. Giganten wie John Coltrane, Angelo Badalamenti oder BOHREN UND DER CLUB OF GORE. Und natürlich von spirituellen Großmeistern im aktuelleren Metal wie URFAUST oder THE DEVIL’s BLOOD. Große Ansprüche, fürwahr (vom Rock Hard wurden sogar Southern-Rock-Einflüsse gehört). Aber schon ziemlich gut umgesetzt.

MessaUnd wir reden hier von einer Formation, die gerade erst anfängt. Nachdem „Belfry“ (2016) schon eine angenehme Duftmarke setzte, toppt der aktuelle Longplayer „Feast For Water“ von 2018 den Erstling noch in puncto Atmosphäre und Ausdruck. Dabei verzichten MESSA auf Effekthascherei und fräsen sich langsam wie geschmeidig ins Ohr, mit Klangfarben, die immer etwas neben den Erwartungen liegen, allerdings ohne mit Schrägheit abzuschrecken – etwas, was die anschließend aufspielenden MessaSABBATH ASSEMBLY, mit denen MESSA gegenwärtig auf Tour sind, nicht so drauf haben. Dazu später mehr.

Knapp eine Dreiviertelstunde verzauberte das Quartett die Anwesenden im noch nicht so überfüllten kleinen Saal des Jubez mit größtenteils langen Stücken voller Siebziger-Flair, Cool-Jazz-Attitüde oder Ambient-Touch – trotzdem unzweifelhaft im schweren, heftigen Rock verwurzelt. Diese Mixtur ist es auch, die regelmäßige Besucher des Hammer Of Doom nötigte, einen Auftritt MESSAs bei der nächsten Ausgabe im November einzufordern – ein Wunsch, der vom HOD-Veranstalter Oliver Weinsheimer erfüllt wird. Demnächst also wieder MESSA live, dann auf weitaus größerer Bühne. Kann es kaum erwarten.

MESSA sowie SABBATH ASSEMBLY waren für mich der Hauptgrund, nach Karlsruhe zu pilgern – auch, weil der geplante Tourbeginn im Mannheimer 7er Club tags zuvor abgesagt wurde. Zu wenig Tickets im Vorverkauf abgesetzt? Durchaus möglich, das geschieht dieser Tage häufiger, leider. Sabbath AssemblySABBATH ASSEMBLY aus Texas, bei deren ersten beiden Alben die von mir krass verehrte Jex Thoth den Gesang beisteuerte, sind weit mehr als eine Band. Sie sind Prediger einer religiösen Gruppierung (oder Sekte) mit der Bezeichnung The Process Church of the Final Judgment. Ihre Stücke scheinen ausnahmslos (kenne nur vier ihrer fünf Alben) ihren Glauben zu illustrieren.

Wären SA Missionare, die an meiner Tür klingeln, würde ich sie zum Teufel schicken (was in diesem Fall wohl bedeutet, nach Hause). Tun sie aber nicht, im Gegenteil: Ich suchte sie auf. Weil sie einen hochinteressanten Hardrock spielen, der auf eine andere Art retro ist als der vieler Mitbewerber auf dem Musikmarkt. Hart und psychedelisch, Sabbath Assemblyteils auf eine miese Art proggig (also wie gewollt und nicht gekonnt), teils liebreizend folkig. Ein musikalischer Solitär, der inhaltlich zumindestens authentisch ist. Und der in seiner religiösen Wahrnehmung, die Jesus Christus, Satan, Jehova sowie Luzifer gleichermaßen huldigt, so eigen ist, dass SABBATH ASSEMBLY auch keine Chancen haben, auf rein christlichen Festivals spielen zu dürfen (ein interessantes Interview mit Drummer und Bandboss Dave Nuss bzw. David Chrstian dazu hier).

Die Besetzung der Band ist extrem hochklassig, mit nunmehr Jamie Myers am Mikro (welche bei den musikalisch ähnlich schräg ausgerichteten Doomern HAMMERS OF MISFORTUNE drei Jahre lang sang), Kevin Hufnagel an der Gitarre (ehemals bei den Epic-Doomern WHILE HEAVEN WEPT, immer noch Sabbath Assemblybei den Tech-Deathern GORGUTS, u. a.) sowie Johnny Deblase am Bass (ein New Yorker, der lange bei SA pausierte und musikalisch viel mit der dortigen Knitting Factory-Szene interagiert, also mit John Zorn, Jamie Saft, etc.). Doch alle Authentizität, Virtuosität und Eigensinn schützten nicht davor, dass einige den kleinen Saal nach kurzer Zeit fluchtartig verließen – ein Blogger-Kollege schrieb sogar vom „SchleKaZ“ (schlechtestes Konzert aller Zeiten).

Sabbath AssemblyDas sehe ich nicht so, finde es aber durchaus nachvollziehbar. Wie bei einem Verkehrsunfall, bei dem man weggucken will, aber nicht kann, fühlte ich mich festgenagelt vor der Bühne um Hufnagels perfektionistisches Gitarrenspiel und Myers denkwürdigen Ausdruckstanz zu erleben – dazu die Blicke des Taktgebers und Chefideologen, dem anscheinend bewusst war vor einer Horde idiotischer Heiden zu performen, Sabbath Assemblydie noch nicht mal ansatzweise kapiert, worum es hier geht. Die Menschen, die dicht gedrängt vor der Bühne steil gingen machten auf mich auch nicht gerade den Eindruck, in deren Club eintreten zu wollen. Mit knapp 35 Minuten wurde sogar noch etwas Spielzeit verschenkt. War wohl im Interesse der meisten. Ich bin froh, das erlebt zu haben, brauche das aber kein weiteres Mal.

Inzwischen waren die Räume des Jubez ziemlich voll, voller als drei Tage zuvor beim zweiten Dudefest-Abend. Voll auch mit einigen Gästen aus Frankfurt, die vor allem wegen des Headliners angereist waren. Ein passender Zeitpunkt, den großen Saal zu öffnen, in dem die gegenwärtig mit SAINT VITUS tourenden DopelordDOPELORD aus Polen zum Retrotanz luden. Bei denen wirkte alles gestrig, vom Outfit der Akteure über den schweren, doomig-psychedelischen Sound bis zu den inhaltlichen Themen der Songs. Alles, nur die Frisuren nicht: Bis auf den Schlagzeuger hatte man den Eindruck, die Köpfe einiger Szenegänger aus angesagten Bars, in denen man lange warten muss um ein überteuertes Getränk im Stehen schlürfen zu dürfen, seien auf die Körper angehender Mororradclub-Novizen geschraubt worden. Was nichts über die vorhandene Qualität der sludgigen Gitarrenwand aussagt, die feilgeboten wurde. Ich brauchte jedoch eine Pause – die Abstände zwischen den Auftritten wurden kürzer, die Schlangen an den Getränkeständen länger. Unbedingt sehen wollte ich die beiden nächsten Acts. Also ein andermal DOPELORD, die Kerle sind ja noch jung.

UlthaULTHA aus Köln allerdings auch – nur von „sehen“ konnte man nicht wirklich sprechen: Da war sie wieder, die Düsternis des Vorfestes, sowie der Nebel, der aus Individuen ein Kollektiv spinnt. Fünf Musiker (auf den Pressefotos nur vier), deren Namen lediglich mit einem Buchstaben abgekürzt werden (deren Identität aber leicht herauszubekommen ist), überzeugen gerade mit ihrem dritten Album „The Inextricable Wandering“ die Metalwelt – mit einem Black Metal, Ulthader so viel mehr ist als nur Black Metal. Mit einem Black Metal nämlich, der gleichermaßen altem Gothrock á la THE CURE folgt wie der Verzweiflung von NEUROSIS, der ebenso dem Doom frönt wie dem Shoegaze.

Wavige Bassläufe zu anschwellenden Gitarrenriffs, Blastbeats sowie Elektronik: Die innerlichen Befindlichkeiten des Philosophie-Lehrers und Songschreibers Ralph Schmidt, der in der Vergangenheit schon mit PLANKS beeindruckte, werden hier zwar unverständlich, aber woanders nachlesbar der UlthaMeute entgegengekeift, dass es eine Art hat und auch Freunden der reinen Lehre im Black Metal Hochachtung abtrotzt. „Harder! Faster!“ forderte zwischen zwei Stücken der SAINT VITUS-Bassist Pat Bruders, der vorher mit dem Frankfurter Gitarristen Andreas Vogel freundschaftlich plauderte, dann aber zum Soundcheck seiner eigenen Band abwanderte. Er verpasste damit einen Großteil der 50 Minuten, die, mit MESSA, das absolute Highlight dieser Veranstaltung darstellten. Im UlthaDezember feiern ULTHA im wiedereröffneten Gebäude 9 in Köln ihr viertes „Unholy Passion Fest“, bei dem die Niederländer GOLD schon bestätigt sind. Zwei Gründe, die Domstadt wieder mal zu besuchen.

SAINT VITUS als Abschluss des Dudefestes auf der erleuchteten großen Bühne des Jubez erleben zu dürfen, hatte etwas Tiefenentspanntes wie auch Lässiges. Für mich persönlich sogar etwas Erlösendes, hatten SAINT VITUS und ich in der Vergangenheit doch kaum Glück bei den Versuchen uns zu treffen. Das lag an Saint Vitusder hohen Dichte an Krankheitstagen, die ich meist zu Zeiten vorzuweisen hatte, an denen die Doom-Meister in Rhein/Main aufspielten (eine Geschichte, die bis ins Jahr 1990 zurückreicht, als sie im Frankfurter Cookys auftraten). Oder ich war bei einem SAINT VITUS-Konzert, nachdem diese ihren Sänger wegen eines Drogenfundes an der Grenze geschasst hatten (Hammer Of Doom 2014).

Scott „Wino“ Weinrich darf inzwischen wieder durch Europa reisen, tut das aber nur noch solo oder mit THE OBSESSED. SAINT VITUS haben ihren Ur-Sänger Scott Reagers reaktiviert, der das selbstbetitelte Debüt 1984 ebenso einsang wie den ebenso selbst- oder unbetitelten aktuellen Dreher (2019). Das Quartett, allen voran Gitarrist Dave Saint VitusChandler, wurde mit viel Liebe und Enthusiasmus empfangen – die älteren Herren (fast ausnahmslos in Film-Shirts) scherzten untereinander sowie mit Teilen des Publikums. Zwei Oldie-Songs brachten den Saal auf Betriebstemperatur, weitere sollten folgen. Insgesamt sechs Stücke nahmen jedoch zwischenzeitlich Energie aus der Performance. Die Scheibe, auf der diese zu hören sind, war zum Zeitpunkt des Gigs noch gar nicht erschienen.

Saint VitusIn über einer Stunde Spielzeit gab es aber auch genug Klassiker – und die betagten Herren in solch bestechender gesundheitlicher Form zu erleben, scheint ja auch nicht unbedingt die Regel zu sein. Der Kracher „Useless“ vom neuesten Album, ein knackiger Old-School-Punk-Song als Hommage an die Punk-Szene, die SAINT VITUS in den Achtzigern lange vor den Metal-Fans ins Herz schloss, bildete den gelungenen Abschluss eines schönen Festivals mit hervorragendem Line-Up. Das nächste Dudefest findet an Halloween statt. Gut möglich, dass man sich da sieht.

Links: https://www.facebook.com/messaproject/, https://messa666.bandcamp.com/, https://www.sabbathassembly.com/, https://sabbathassembly.bandcamp.com/, https://www.facebook.com/Dopelord666, https://dopelord.bandcamp.com/, https://templeofultha.com/, https://ultha.bandcamp.com/, http://www.saintvitusband.com/, https://www.reverbnation.com/saintvitus

Text, Fotos & Clips: Micha

Alle Bilder:

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