STRASSENJUNGS – ABSCHIEDSKONZERT

Batschkapp, Frankfurt, 6.09.2019

Strassenjungs42 Jahre nach ihrer Gründung stellen die STRASSENJUNGS ihre Live-Präsenz ein – Sänger Nils Selzer (rechts) kann aus gesundheitlichen Gründen leider keine Gigs mehr spielen. Daher luden die Frankfurter Punk-Urgesteine unter dem Motto „Adios Amigos!“ noch einmal zu einer großen Abschiedssause in die Batschkapp ein. Diese war in der Mitte abgeteilt worden, und in der vorderen Hälfte war der Saal dann rappelvoll. Viele Besucher hatten ihre alten, über die Jahrzehnte bei unzähligen Shows erworbenen Band-Shirts herausgekramt, der Altersschnitt ihrer Besitzer dürfte jenseits der Fünfzig gelegen haben. Alle Gäste einte ein Wunsch: Die STRASSENJUNGS frei nach dem Titel eines ihrer bekanntesten Songs „Wir ham ne Party“ noch einmal richtig für ihr Lebenswerk abzufeiern und Selzer und seinen Mitstreitern einen würdigen Ausklang der Bühnenkarriere zu bereiten.

Schon im Vorhinein war kommuniziert worden, dass der kranke Frontmann nur bei einigen Tracks am Mikrofon stehen würde, der Rest sollte von Gastsängern übernommen werden. Das Konzept des Abends: Die STRASSENJUNGS trugen in mehreren Sets Strassenjungsjeweils einige ihrer größten Hits, wahlweise gesungen von Nils Selzer oder dem Bassisten Volker „Pickup“ Picard, vor. Mehrmals zwischendurch kamen drei befreundete Bands auf die Bühne, die zuerst zwei ausgewählte Stücke der STRASSENJUNGS coverten und dann noch etwas eigenes Material zum Besten gaben. Und zum Schluss jammten alle Musiker gemeinsam bei… Doch halt, soweit sind wir noch nicht.

Strassenjungsoben: Volker „Pickup“ Picard, rechts: Manfred Masal

Für alle Frühankömmlinge wurde in der Halle per Beamer ein Film über das Schaffen und die wichtigsten Gigs der STRASSENJUNGS gezeigt (besonders schön: Auftritte in Anno-Tobak-Fernsehshows mit Ansagen von Arabella Kiesbauer, Bärbel Schäfer & Co.). Das Konzert selbst startete pünktlich gegen 21 Uhr mit „Komm tanz“, gefolgt von „Birgit O.“, „Mitternacht Babies“ und „Nachts auf Tour“, drei Knallern vom 1977 erschienenen Debüt-Album „Dauerlutscher“. Für Selzer, der an Lungenfibrose leidet, war im hinteren Teil des Podestes ein Sofa aufgestellt worden, neben dem ein medizinisches Gerät platziert war, das ihm immer dann Sauerstoff zuführte, wenn er diesen Die Traktoraufgrund von Atemnot benötigte. Von diesem Platz aus konnte der inzwischen 72-Jährige das Geschehen auf der Bühne verfolgen und immer dann ins Geschehen eingreifen, wenn es ihm möglich war. Und natürlich ließ er es sich nicht nehmen, den Abend selbst singend zu eröffnen, anschließend stellte sich dann Picard ans Mikro.

links und unten: Die Traktor

Danach war es Zeit für das erste musikalische Intermezzo einer eingeladenen Band: Die Punkrock-Formation DIE TRAKTOR, auch schon seit 22 Jahren aktiv, coverte die beiden auf die Mainmetropole zugeschnittenen Stücke „Bankfurt“ und „Panik in Frankfurt“. Es folgte eine bedächtig beginnende Die Traktorund später in ultraschnelles Tempo ausartende Version des Kinderliedes „Drei Chinesen mit dem Kontrabaß“, bei der sich die Jungs um Sänger Arne Schneider mal richtig austoben konnten. Auf den Hinweis, dass am Merchstand Produkte der Combo erworben werden können, hätte man an einem Abend für die STRASSENJUNGS nach meinem Geschmack gut verzichten können, aber vielleicht war ich auch der Einzige, der das etwas unpassend fand.

StrassenjungsEs folgte eine Solo-Einlage des aus Hamburg stammenden Selzer, der das in Norddeutschland bekannte Lied „An de Eck steiht‘n Jung mit ’n Trudelband“ sang. Im Anschluss daran griff er mit den Worten „Ich wollte Euch ja noch sagen, was mit mir los ist!“ zum Mikrofon und erzählte den Besuchern über seine Krankheit, die es ihm künftig unmöglich macht, Live-Auftritte zu bestreiten. Er betonte aber, dass die STRASSENJUNGS weitermachen werden, neue Songs schreiben und aufnehmen wollen („Das im Studio geht noch.“). Ohne jede Aufforderung fing daraufhin jemand im Publikum an, den Refrain des Liedes „Immer weiter geh‘n“ zu singen, die Menge stimmte ein und schließlich sang der komplette Saal Selzer ein anrührendes, Mut für die Zukunft machendes Ständchen. Einer von mehreren Gänsehaut-Momenten des Konzertabends. Dann waren wieder die STRASSENJUNGS, bei denen neben Selzer und Picard Manfred Masal an der Gitarre und am Schlagzeug wechselweise Georg Jason FretzTautenhain sowie dessen Vorgänger Torsten Dechert agierten, mit einem Song-Fünferpack an der Reihe. Meine Highlights daraus: „Bundeswehr“ (von der Scheibe „Los“, 1981) sowie „Venus im Bus“ und „Kerl biste hohl“ (von „Wir ham ne Party“, 1979).

links: Jason Fretz

Als nächster Gast trat der Frankfurter Sänger und Gitarrist Jason Fretz (u. a. BORNHEIM BOMBS, THREE O‘CLOCK HEROES) mit seinen Kollegen Sören Corell (Gitarre), Lukas Schilling (Bass) und Gero Hartmann (Schlagzeug) vor die Besucher der Batschkapp. Die Combo hatte sich mit „Fressgass“ und „Spießer“ zwei Stücke ausgesucht, die das textsichere Publikum gut mitsingen konnte, bevor ein eigener Track aus der neuen Solo-CD „Endspurt“ folgte.

Matthias Keller & Nils Selzer

oben: Matthias Keller (U-Bahn Kontrollöre) & Nils Selzer

Als letzte der eingeladenen Künstler traten später außerdem noch die U-BAHN KONTROLLÖRE IN TIEFGEFRORENEN FRAUENKLEIDERN auf, eine À-cappella-Gruppe, die (nicht nur) im Großraum Rhein/Main längst Kultstatus erlangt hat. Sie präsentierte vor ihrem eigenen Track die STRASSENJUNGS-U-Bahn Kontrollöre in tiefgefrorenen FrauenkleidernSongs „Maria R. und G.F. Meier“ und „So lang zusamm‘“. Darüber hinaus übernahm sie bei einem späteren Einsatz den Gesang bei „Jeder Mensch ist mal alleine“, wenn auch mit etwas entschärftem Text.

Ein weiterer Höhepunkt des Konzerts war der Klassiker „Der Drummer mit dem Holzbein“, bei dem nicht etwa ein einbeiniger Schlagzeuger auftrat, nein: Beide Schießbuden auf der Bühne wurden zweibeinig besetzt, zudem machte ein Strassenjungsweiterer Musiker (mit Krücke) einen Rundlauf an einer weiteren Trommel. Sound und Action galore – und dass sich die Schlagzeuger durchaus an Weltklasse-Leuten messen lassen wollen, wurde daraus ersichtlich, dass sie sich spaßeshalber noch Masken der Stars Phil Collins (u. a. Drums bei GENESIS) und Dave Grohl (u. a. Schlagzeug bei NIRVANA, QUEENS OF THE STONE AGE) aufsetzten.

StrassenjungsWenig später, es ging auf das Ende eines langen Konzertabends zu, kam dann der stets geforderte „Dauerlutscher“ sowie „Wir ham ne Party“ und der vielleicht eingängigste Song im Werk der STRASSENJUNGS, die Hymne „Immer weiter geh’n“. Bei dieser waren noch einmal DIE TRAKTOR involviert. Als Zugabe folgte ein Cover von „Surfin‘ Bird“ (THE TRASHMEN) und den endgültigen Abschluss bildete, wie könnte es anders sein, „Adios Amigo“.

Strassenjungs

Alle 20 Mitwirkenden versammelten sich für den Schlussstrich unter mehr als 40 Jahre Bühnen-Präsenz der STRASSENJUNGS auf dem Podest (Videoclip am Ende des Berichts). Es war ein stimmungsvoller, stellenweise emotionaler und bewegender Abend, der sowohl die Erwartungen des Publikums als auch der teilnehmenden Bands vollständig erfüllt haben dürfte. Wir sagen: Danke, STRASSENJUNGS. Danke, Nils. Alles Gute.

Links: http://www.diestrassenjungs.de/, https://www.facebook.com/Strassenjungs-/, https://www.last.fm/de/music/Strassenjungs, http://dietraktor.de/, https://de-de.facebook.com/dietraktor/, https://www.last.fm/de/music/Die+Traktor, http://www.endspurt-jf.de/, https://www.last.fm/de/music/Jason+Fretz, http://kontrolloere.de/, https://www.last.fm/de/music/U-Bahn+Kontrolloere

Text: Stefan / Fotos: Kai
Clip: am Konzertabend aufgenommen von Strassenjungs

Alle Bilder:

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