THE OUTLAW

Café Central, Weinheim, 7.11.2025

The OutlawEs war mal wieder einer dieser Abende, an dem allerlei Konzerte zeitgleich stattfanden: In Darmstadt gastierten Bob Wayne und Jay Munly, im Frankfurter Dreikönigskeller gab sich einmal mehr PRIMABOY die Ehre und in Weinheim war THE OUTLAW zu Gast, den ich gegenüber den genannten Alternativen aber aus mehrerlei Gründen präferierte. Hinter dem Namen THE OUTLAW verbirgt sich niemand Geringeres als Vinnie Stigma, Gitarrist und Gründer der New Yorker Hardcore-Legende AGNOSTIC FRONT, der bei seinem aktuellen Projekt allerdings als Country-Sänger agiert und von einer All-Star-Band begleitet wird. Da der Mann mit 69 Jahren nicht mehr der Jüngste ist, die bisher einzige Veröffentlichung von THE OUTLAW eher obskur denn grandios ausgefallen ist und somit die Vermutung nahe lag, dass es sich hier um eine

einmalige Chance handelt, dem skurrilen Spektakel beizuwohnen, zog es mich ins Café Central. Viele Besucher hatten sich nicht im Club eingefunden, er war etwa halbvoll, vermutlich hatten andere potentiell Interessierte sich zuvor das Album angehört.

The Outlaw - Chip HannaAls Opener des New Yorkers fungierte Andrew James, der einst unter dem Signet SKI’S COUNTRY TRASH durch die Gegend tingelte (Bericht dazu hier), aber inzwischen nur noch solo und mit einem Laptop als Begleitung auftritt. Die Darbietung war dementsprechend traurig und erinnerte an eine schlechte Karaoke-Show. Die Musik kam via Knopfdruck aus der Konserve und Andrew sang live dazu. Mir hatte seine Performance bereits damals mit Band nicht gefallen, der Auftritt mit Laptop markierte allerdings einen Tiefpunkt, sodass wir über den Gig lieber den Mantel des Schweigens legen wollen. Das Publikum sah es ähnlich, nur wenige Besucher verloren sich vor der Bühne, das Gros verweilte an der Bar oder am Merchstand im Vorraum.

The Outlaw - Vinnie StigmaGegen 22 Uhr war dann schließlich die Zeit von THE OUTLAW gekommen und die Mitglieder der Formation fanden sich auf der Bühne ein: Schlagzeuger Chip Hanna (US BOMBS, ONE MAN ARMY), der Vinnie zu dem Projekt inspiriert und einige Songs zum Album beigesteuert hatte, Bassist Jesse Wagner von der US-Band THE AGGROLITES, der deutsche Gitarren-Veteran Tex Morton (SUNNY DOMESTOZS, MAD SIN, FREUNDE DER ITALIENISCHEN OPER) sowie an der Geige Michelle Bell vom US-Country-Act FORGOTTEN HIGHWAY. Im Mittelpunkt des Ganzen stand aber Vinnie Stigma, der sich in Schale geworfen hatte und standesgemäß mit Westernhemd und Cowboyhut auf dem Podest erschien.

In einem kurzen Gespräch am Merchstand hatte ich zuvor von Vinnie erfahren, dass die Band in dieser Formation erst am Vortag zusammengekommen war – Tourstart war am 6.11. im Don’t Panic in Essen – und man daher noch nicht ganz warmgelaufen sei. Nun, diesen Eindruck konnte ich nicht bestätigen, skurril war die Show dennoch. Zum einen war es ungewohnt, Stigma nicht im Wifebeater und als Gitarrist auf der Bühne wüten zu sehen, zum anderen war die Zusammenstellung der einzelnen Songs obskur und warf die Frage auf, was Stigma mit seinem Projekt eigentlich beabsichtigt. Musiker des Punk-Genres, die sich auch mal in den Gefilden des Country versuchen, gab es bereits einige, darunter Mike Ness von SOCIAL DISTORTION, Nick 13 von TIGER ARMY und auch GG Allin, doch sie alle haben ihr Country-Alter-Ego ernsthaft und finster inszeniert.

Dies könnte man auch im Falle von Vinnie Stigma vermuten, wenn man einen Blick auf das Cover des bisher einzigen Albums wirft, auf dem Stigma mit Patronengurt und zwei Revolvern zu sehen ist. Die Songs spiegeln dies indes nur bedingt wieder. Denn neben tatsächlich düsteren Tracks wie „Already Dead“ (von RANCID) gehören Traditionals wie „Rose of Alabamy“ und Klassiker wie „Little Star“ zum Set, die, zumindest in der Interpretation von Stigma, unfreiwillig komisch wirkten. Der Amerikaner mit italienischen Wurzeln bot die Lieder nämlich im typischen New Yorker Slang mit leichtem Italo-Einschlag dar und machte dabei Bewegungen, die man als Mischung aus Louis-de-Funès-Gestik und Hardcore-Posen beschreiben könnte. In Verbindung mit der seriösen Backing-Band und den teils traditionellen Country-Melodien hinterließ das schon einen schrägen Eindruck.

Der Stimmung tat dies jedoch keinen Abbruch, die Besucher in den ersten Reihen tanzten ausgelassen und feierten den „interessantesten Mann der Welt“ – so der Titel von Vinnie Stigmas Autobiografie. Unter dem Strich war’s ein wilder, aber kurzweiliger Ritt, der bereits nach nicht ganz 40 Minuten sein Ende fand – mehr Material hat die Truppe bisher nicht am Start, man arbeite aber bereits an einem neuen Album.

The Outlaw - Michelle BellWar das gestrige Konzerterlebnis also ein Muss? Definitiv nicht, aber als Freund des New York-Hardcores machte es Spaß, einen der Begründer des Genres mal in einer anderen Rolle auf der Bühne erleben zu können. Und: Die gute Laune des Künstlers war ansteckend, denn Stigma selbst hatte unbestritten am meisten Spaß an dem Auftritt. Das war ihm deutlich anzumerken und übertrug sich auch auf das Publikum.

The Outlaw - Vinnie Stigma

Links: https://www.facebook.com/the.outlaw.vinnie.stigma/, https://www.instagram.com/stigma_nyc/, https://soundcloud.com/stigmaofficial/sets/the-outlaw

Text & Fotos: Marcus

Alle Bilder:

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