BLUE ÖYSTER CULT

Colos-Saal Aschaffenburg, 11.06.2012

28.9.1992. Das war der Tag, an dem ich BLUE ÖYSTER CULT das letzte Mal live gesehen habe (in der mittlerweilen nicht mehr existenten Music Hall am auch nicht mehr existenten Frankfurter Opel-Kreisel). Ein (nach meinem Gusto) großartiges, schweißtreibendes Konzert der auch damals schon als „Classic-Rock“-Band anzusehenden Formation, die mir live die ganzen 80-er hindurch immer einen Riesenspaß machte. Ursprünglich nannte die Presse sie die amerikanische Antwort auf LED ZEPPELIN, wobei sie mit ihren SF-Texten und ihrer Zusammenarbeit mit dem Autor Michael Moorcock viel mehr an die ewig unterschätzten Briten von HAWKWIND erinnern. Mit diesen eint sie auch die Masse an Alben-Veröffentlichungen (wobei Klassiker ebenso zu Buche schlagen wie Trendanbiederndes und Verzichtbares) sowie die unschlagbare Live-Präsenz. Wobei in meinem geographischen Dunstkreis damit nach 1992 schlagartig Schluss war.

Die in der für mich konzertlosen Zeit veröffentlichten Studioalben hatten in schöner Regelmäßigkeit ein bis drei geniale Songs am Start, umrahmt von musikalischen Nichtigkeiten, wie sie höchstens noch auf AFN straffrei laufen dürfen oder in der Dorfdisco. Diese ein bis drei Songs standen aber immer für das einzigartige Profil von BÖC – ein straighter Rocker vom raukehligen Sänger, Rhythmusgitarristen & Keyboarder Eric Bloom (der vergangene Gigs in der Zugabe „Born To Be Wild“ auf der qualmenden Harley bestritt) sowie ein bis zwei völlig unpeinlich geratene kommerzielle Nummern vom „Schönsänger“ und Saitenvirtuosen Donald „Buck Dharma“ Roeser. Verbunden mit dem fantastischen Backkatalog der Band sind schlechte Konzerte von BÖC damit nicht nur unwahrscheinlich, sondern fast unmöglich.

Nachdem die Band in den letzten Jahren fast ausschließlich die amerikanische Westküste betourte, brachte ein Engagement beim Sweden Rock Festival BÖC wieder auf europäischen Boden. Eine in Deutschland geplante Classic Rock-Tournee zusammen mit BAD COMPANY und BACHMAN & TURNER (von BACHMAN TURNER OVERDRIVE) ist aus mir unbekannten Gründen geplatzt, aber, oh Wunder: Clubshows wurden angekündigt, dabei eine im für mich erreichbaren Aschaffenburg. Meine Vorfreude ist enorm, beide BÖC-Masterminds sind präsent und werden unterstützt vom weiteren Gitarren-As Ritchie Castellano, dem Schlagzeuger Jules Radino sowie dem Bassisten Rudi Sarzo.

Rudi Sarzo? Der ehemalige DIO- und WHITESNAKE-Bassist stand definitiv nicht auf der Bühne des Colos-Saal. Der mir unbekannte Mitspieler wurde als verdientes Mitglied der Live-Band von MEAT LOAF sowie als langjähriger Partner von Todd Rundgren vorgestellt, der in dem leider obligatorischen Bass- und Drumsolo (schnarch) selbige ebenso zitierte wie „I love Rock’n’Roll“, welches er wohl mal mit JOAN JETT & THE BLACKHEARTS spielen durfte. Wenn meine Recherchen stimmen heißt er Kasim Sulton und machte ansonsten einen exzellenten Job.

Wie auch der Rest der Band. Wobei es mit der Vorfreude nicht nur mir so ging: Das altersmäßig erstaunlich gemischte Volk machte von Anfang an Stimmung und feierte die Gruppe für ihr bloßes Erscheinen gnadenlos ab, diese spielte einen ziemlich 70-er Jahre fokussierten Set („Golden Age of Leather“, „Godzilla“, „Red and the Black“, „Last Days of May“, „Cities on Flame“ und NATÜRLICH „Don’t Fear the Reaper“ vor der Zugabe) mit wenigen Einsprengseln aus den 80-ern („Burning for You“) und 90-ern („Harvest Moon“) und beglückte die Fans damit komplett, wobei jeder natürlich auch ein paar persönliche Favoriten vermissen musste. Die Resonanz des Publikums animierte zumindest die beiden Gitarreros Roeser und Castellano zu Höchstleistungen, Roeser bekam das Grinsen nicht mehr von den Lippen und schlug sich ständig aufs Herz, um seine Dankbarkeit zu zeigen.

BÖC spielten etwa 90 Minuten und damit „weniger Songs in längerer Zeit als PARADISE LOST vor kurzem in der Batschkapp“, um einen von diesem Abend begeisterten Anwesenden zu zitieren. Also alles richtig gemacht, wobei mich die aufgesetzte Coolness und Routine von Eric Bloom etwas nervte, der sich mit seinen Rockern zu meinem Bedauern sehr zurückhielt. Auch, die euphorisierte Menge in der Zugabe mit dem Oldie, aber nichtsdestotrotz extrem weichgespülten „I Love the Night“ zu „erden“, stieß mir etwas sauer auf, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das ein Fanwunsch war (einige wurden geäußert und von Bloom kommentiert als „interessant“, „möglich“ oder „indiskutabel“) – falls dem so war, war das kein von der Menge geteilter Wunsch. „Hot Rails To Hell“ beschloss den Auftritt.

War das also ein befriedigender Konzertabend? Auf jeden Fall. War der Abend 20 Jahre Warten wert? Nein. Aber welcher ist das schon.

Links: http://www.blueoystercult.com/, http://de.myspace.com/blueoystercult

Text: Micha / Fotos: Britta Stippich
Clip: aufgenommen am Konzertabend von MultiDired

1 Comment

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One Response to BLUE ÖYSTER CULT

  1. Tom

    Sehr schön geschriebener Konzertbericht. Ich war auch auf dem Konzert und bin mir ziemlich sicher, daß der Gig mit dem Song „ME 262“ endete. Die „Hot Rails…“ waren zu meinem Bedauern nicht im Programm. Außerdem auch nicht „Bucks Boogie“ welcher auf allen anderen Konzerten gespielt wurde und dessen Fehlen man ruhig im Konzertbericht erwähnen hätte können.