GEMMA RAY & NED COLLETTE

Sankt Peter Café, Frankfurt, 4.03.2015

Gemma RayManche Künstler sind nicht so wie andere. Das sollte auch so sein, wenn man als „Künstler“ wahrgenommen wird – und doch vergleichen wir die Arbeit der hoch geschätzten Kulturschaffenden stets mit der anderer, um sie gegenüber Neulingen zu beschreiben oder um irgend eine Art von „Ordnung“ in unserem Ablagesystem herzustellen, sei sie real im Zimmer oder virtuell. Das klappt ja auch ganz gut – trotz aller Unterschiede ist es nicht völlig aus der Luft gegriffen, wenn ich, zum Beispiel, OVERKILL neben ANTHRAX einsortiere: Die Gemeinsamkeiten im Sound lassen das durchaus zu, trotz aller vorhandenen Unterschiede zwischen beiden Bands.


Mit Gemma Ray geht das nicht so einfach. Klar ist das, was sie macht, „Rock’n’Roll“; alleine schon wegen der zentralen Rolle ihres Gitarrenspiels in ihrer Musik. „Singer-Songwriter“tum wäre aber auch nicht gänzlich verkehrt, Gemma Rayschließlich schreibt sie die meisten ihrer Songs und performt diese auch häufig alleine. „Blues“ und „Soul“ sind von der klanglichen Ästhetik auch nicht von der Hand zu weisen. „Retro“-Elemente und das Wildern in „Traditionen“ gehören zum akustischen wie optischen Gesamtbild, werden aber im selben Moment durch die vorherrschende Soundtechnik, die moderner kaum sein könnte, zur Fußnote degradiert. „American Gothic“ oder „Folk/Rock noir“ für Gemma RayFortgeschrittene bringen einen schon mehr in die Spur; und trotzdem: Gemma Ray braucht ein eigenes Regal, denn so wie sie musiziert niemand. Punkt.

Das macht nicht nur Freunde. Als sie 2012 Special Guest bei Kris Kristofferson war, fiel sie mit ihrem spooky und geloopten Gitarrenspiel bei der Masse an Stetson-Trägern in der Jahrhunderthalle voll durch. Auf ihrer aktuellen, scheinbar ersten (?) Tour als Headliner mit Stopp in Frankfurt füllte sie noch nicht mal zur Hälfe das kleine Café der Jugendkulturkirche Sankt Peter – geschätztes Fassungsvermögen 120 Leute. Das ist im höchsten Maße ungerecht und kann so nicht bleiben, denn Gemma Ray ist absolut großartig.

Mich hatte sie nach besagten Kristofferson-Konzert im Sack, bei dem sie das unfassbar großartige Album „Down Baby Down“ vorwegnahm. Seit dieser Scheibe dominiert ihr düsterer Gitarrentwang ihr Schaffen – auf den Veröffentlichungen vorher waren zwar auch schon großartige Songs, die aber, von den Arrangements her gesehen, noch nicht so mutig ein Alleinstellungsmerkmal aufwiesen wie die neueren es tun. Das aktuelle, „Milk For Your Motors“, baut diese mit der Unterstützung solcher Gäste wie Howe Gelb oder dem Deutschen Filmorchester Babelsberg noch aus. Cinephil – auch das ein treffendes Attribut für die Musik Gemma Rays.

Bevor uns die in Berlin lebende Britin jedoch mit ihrer Darbietung verzaubern konnte, kam Labelmate und Mit-Wahlberliner Ned Collette auf die Bühne, ziemlich pünktlich um Acht. Eine knappe Dreiviertelstunde sang der Australier seine Lieder, die er sonst wohl auch oft in Begleitung seiner Band Ned ColletteWIREWALKER präsentiert. Beim ersten Hören zündeten nur zwei seiner Songs bei mir: Sein neuester, den er erst wenige Tage vorher verfasst hatte, sowie ein „alter“, der knapp acht Jahre auf dem Buckel hat. Rifflastiger Rock auf der Konzertgitarre in beiden Fällen, der mich sofort überzeugte – die melancholischeren Songs hatten es bei mir etwas schwerer. Beim Publikum stieß Collette jedoch durchaus gleich auf Interesse und konnte am Ende der Show auch ein paar Tonträger verticken. Überhaupt, das Publikum: Altersmäßig extrem gemischt, von sehr jung bis zum Rolling Stone-lesenden Rockfossil war von allem was da. Viele Pärchen, HR 1-Hörer (der Sender tat sein Möglichstes, um die Hütte etwas Ned Collettevoller zu bekommen und hatte damit auch ein wenig Erfolg) und auch die eine oder andere Ted-Tolle war zu erspähen. Keine störenden Quassler oder Zwischenrufer, zumindest nicht in Bühnennähe. Eine sehr, vielleicht etwas zu respektvolle Menge hatte sich da versammelt, die bis auf den Applaus herzlich wenig mit den Musikern interagierte. Ich hatte bei Ned Collette den Eindruck, dass er sich mehr Resonanz gewünscht hätte, doch auch seine auf Deutsch vorgetragenen Kommunikationsversuche blieben ausnahmslos unbeantwortet.

Gemma Ray sprach nicht Deutsch, sie sprach vor der Zugabe eigentlich so gut wie gar nicht. Im Duo mit Andrew Zammit, der gleichzeitig (!) die Tasten und das Schlagzeug bediente und trotzdem nicht mehr Arme und Beine zur Gemma RayVerfügung hatte als die anderen Anwesenden, sowie ab und an im Trio mit Ned Collette, der meist zum Bass, aber auch mal zu den Drums griff, spulte Gemma Ray ein Programm ab, dass sich nur zum Teil am aktuellen Material orientierte – der Opener z. B. war, wenn ich das richtig gehört habe, ein Song, der schon sechs Jahre alt ist und Gemma Raydamals auf einer Single veröffentlicht wurde. Das Zusammenspiel Rays mit Zammit war einzigartig, weitere Musiker wurden da schlichtweg nicht gebraucht. Neben den diversen Tasten zu ihren Füßen wurde auch noch ein Schlachtermesser bemüht, um die Stahlseiten ihrer Gitarre zärtlich zu liebkosen. Zwei Leute schaffen Sound wie ein Orchester, großes Kino, fürwahr.

Gemma RayIn der Zugabe sprach Ray etwas mehr mit dem Publikum, dass sich obskurerweise ein wenig geschmälert hatte nach dem Kernauftritt, und griff noch mal richtig in ihre eigenpersönliche Oldie-Kiste. Mein Lieblingsalbum wurde leider ignoriert, schade. Ich war jedoch zutiefst beeindruckt und wäre sogar zufrieden gewesen, wenn Ray und Zammit dem Auftrittsort entsprechend ein Gesangbuch intoniert hätten. So oder so – das war Kunst. Ganz große. Bitte wiederkommen.

Links: http://www.nedcollette.com/, https://www.facebook.com/nedcollette?_rdr, http://music.nedcollette.com/, http://www.lastfm.de/music/Ned+Collette, http://gemmaray.tv/, https://www.facebook.com/gemmaraymusic, https://myspace.com/gemmaraymusic, https://soundcloud.com/gemma-ray, http://www.lastfm.de/music/Gemma+Ray

Text, Fotos & Clips: Micha

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