PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS & HELHORSE

Das Bett, Frankfurt, 7.03.2018

Phil Campbell and the Bastard SonsWenige Tage nach dem Gig der MOTÖRHEAD-Buddies SAXON in der Frankfurter Batschkapp trat mit Phil Campbell der Musiker in Frankfurt auf, der es von allen am längsten an der Seite Lemmy Kilmisters ausgehalten hat: Von 1984 bis zum Ende der Kult-Formation 2015 stand der Gitarrist aus Wales bei MOTÖRHEAD auf der linken Seite der Bühne. Abrupt wegen Lemmys Tod aus allen weiteren Tourplänen gerissen (im Frühling 2016 war ein weiterer Gig in Offenbach angekündigt), ging Campbell es anschließend etwas ruhiger an als sein Mitstreiter am Schlagzeug, Mickey Dee, der flugs bei dieser Band aus Hannover unterkam und deren Live-Shows nun mit jeweils einer Cover-Version seiner ehemaligen Brötchengeber aufwertet. Mit den SCORPIONS füllt er nun Phil Campbell and the Bastard SonsArenen, sein Kollege Campbell bleibt auf Club-Level. Und scheint dabei (so genau sieht man es dem Stoiker nicht an, schon gar nicht hinter seiner Sonnenbrille) erst mal mehr als zufrieden zu sein.

Die Wahl seiner Mitmusikanten zeugt ebenfalls eher von entspannter Freizeitaktivität im Pub nebenan als von ehrgeizigen Plänen zur Expansion des Bankkontos: Drei seiner Mitstreiter bei den BASTARD SONS, Todd (Gitarre), Phil Campbell and the Bastard SonsTyla (Bass) und Dane (Drums) sind wirklich seine Söhne, nur Sänger Neil Starr (STATES AND EMPIRES) gehört nicht zur Verwandtschaft. Live gezockt werden in erster Linie Covers, ursprünglich nicht nur welche von Campbells Stammband, sondern auch von Ted Nugent, ZZ TOP, LED ZEPPELIN sowie anderen Hardrock-Größen. Macht das PCATBS also zur reinen Oldie-Nachspielcombo?

Bevor wir das herausfinden konnten gingen erstmal die Dänen von HELHORSE an den Start. Diese standen, wie sie selber freudig ins Gedächtnis riefen, schon einmal auf der Bühne des Frankfurter Clubs „Das Bett“, nämlich als Support von HelhorseKARMA TO BURN vor knapp zweieinhalb Monaten. Ob es gestern mit dem Publikum von damals eine Schnittmenge gab weiß ich nicht. Zumindest schrie keiner der zu 85 Prozent MOTÖRHEAD-Leibchen tragenden Gestalten im Raum lautstark herum, dass er die Dänen kennen oder gar toll finden würde. Auch nicht, nachdem der Sänger den Gästen attestierte, viel hübscher zu sein als die von KARMA TO BURN.

HelhorseDas änderte sich allerdings während ihres halbstündigen Sets, das etwas verfrüht bereits um 20.15 Uhr losging. Halbnackt und motiviert wie einst unsere verblichenen Lokalmatadore der MEGALOMANIAX enterten sie die Bühne, nur Sänger Mikkel Wad Larsen erschien overdressed mit Shirt und Lederjacke in der bereits behaglich Helhorsedurch die Körperwärme aufgeheizten Konzerthalle. Ein wenig angeseucht kam er mir vor, gesundheitlich angeschlagen. Zumindest schien ihn der Auftritt weit mehr anzustrengen als seine barbusigen Kumpane, die allesamt abgingen wie Schnitzel und die Leute im Saal mit ihrer Mischung aus Stoner- und Hardrock ratzfatz auf ihre Seite zogen.

HelhorseAuf Platte kann man bei den Dänen, die bereits 2006 als THE DØDNING firmierten bevor sie sich 2010 in HELHORSE umbenannten, manchmal eine heftige HC-Kante heraushören. Live klang das wie bester skandinavischer Rotzrock der HELLACOPTERS-Schule, der auf einen Headliner-Gig neugierig machte. Schöner Start. Die anschließende 45-minütige Wartezeit auf den Headliner im stickigen Gewühl ließ von der erfolgreichen Anheizung aber einiges verpuffen, leider. Vor allem Campbells Stammplatz auf der linken Seite war Ziel der Fans, die ihr Smartphone im Anschlag auf den Mann warteten, der als Teil der besten Band der Welt sonst sehr viel weiter entfernt vom Publikum rockte.

Als „Highway Star“ von DEEP PURPLE vom Band kurz vor halb Zehn gespielt wurde, gingen einige im Raum schon steil. Anscheinend kündigt dieser Klassiker häufiger das Erscheinen der BASTARD SONS an. Zumindest einige Italiener Phil Campbell and the Bastard Sonshinter mir begannen schon auszurasten; einer schrie mir mein linkes Ohr wund, leider mit wenig Ähnlichkeit zur Intonation Ian Gillans. Dann erschien die Familie und brachte zuerst zwei Eigenkompositionen zu Gehör, bevor mit „Deaf Forever“ der erste MOTÖRHEAD-Song kam: Gute Wahl, schon mal. Auch wenn MOTÖRHEAD allumfassend herrschte kann man natürlich darüber streiten, welche Perlen ihres großartigen Œvres eher verzichtbar sind als andere. „Deaf Forever“ steht in meiner Welt auf der guten Seite, das wenig später gespielte „Rock Out“ eher nicht. Vor einem Jahr in Berlin wurden laut dem Rock Hard auch „Orgasmatron“ und „Killed By Death“ gegeben – Stücke, die Campbell bereits seit den ersten beiden Phil Campbell and the Bastard Sonsmit MOTÖRHEAD absolvierten Tourneen darbot, in Frankfurt aber leider fehlten.

Wo wir gerade bei Ian Gillan sind: Optisch geht Neil Starr locker als dessen kleiner Bruder durch. Akustisch nicht so ganz, allerdings liegt er stimmlich weit näher an dem als beim knarzigen Alleinstellungsmerkmal Lemmy Kilmisters. Das kann man niemand vorwerfen, es mutet aber sehr obskur an, Perlen wie „Ace of Spades“ (natürlich Phil Campbell and the Bastard Sonsunverzichtbar und kurz vor der Zugabe gespielt) so, äh, „gesungen“ zu erleben. Bei den neuen Tracks ist das alles passend, Starr wackelte stimmlich nicht trotz dauerhaftem Flummisprung sowie ständigem Gebange. Props dafür. Als er gegen Ende jedoch David Bowies „Heroes“ verhunzte, das es wohl nur auf die Setlist schaffte, weil bereits MOTÖRHEAD dieses Lied nachspielten, war auch mit viel gutem Willen kein Respekt mehr geboten: Das war schlicht grauenhaft. Akzeptabel wirklich nur von einer Amateur-Coverband in der Kneipe um die Ecke vor alkoholisierten Rockrentnern. Die Leute mochten es trotzdem zum großen Teil, Rockrentner waren ja hier ebenso in der Überzahl (ich zähle mich selbst dazu).

Phil Campbell and the Bastard SonsAber auch das Hipstertum war vertreten, vor und auf der Bühne. BASTARD SON Todd glänzte mit der meisten Aktion und stilsicherem T-Shirt mit Sub Pop-Logo, Bassist Tyla trug die Haare modern und Drummer Dane schlug sich ebenso wacker. Im Gegensatz zum Berlin-Gig vergangenes Jahr hatte jedes der nachgespielten Stücke einen für mich erkennbaren Lemmy-Bezug – neben den MOTÖRHEAD-Classics Phil Campbell and the Bastard Sonswurde „Silver Machine“ von Lemmys Vorgängerband HAWKWIND gebracht, nichts von Ted Nugent oder anderen Künstlern ohne direkten Lemmy-Bezug. Acht eigene Lieder wurden gegeben, die alle über ein „ganz nett“ in meiner Bewertungsskala nicht hinauskommen, neun MOTÖRHEAD-Songs. Mit „Rock’n’Roll“ einer meiner Lieblinge dabei, mit „Born To Raise Hell“ so ziemlich das Gegenteil. Auch das kann man natürlich anders sehen.

Phil Campbell and the Bastard SonsUnterm Strich war das eine feine Veranstaltung, die von der Nostalgie lebte ohne den Anspruch zu haben, so etwas wie legitime Nachfolger darzustellen von den Göttern des Rock’n’Roll. Kann man mal machen. Dass Campbell und Mickey Dee, die nach Lemmys Tod gleich klarstellten, dass MOTÖRHEAD nun Geschichte sind, kurz nach dem Tod des Phil Campbell and the Bastard SonsGitarristen der kultigen Trio-Besetzung 1976-1982, „Fast“ Eddie Clarke, nun laut darüber nachdenken, MOTÖRHEAD-„Tribut Shows“ zu etablieren (Infos dazu aus dem Classic Rock hier), muffelt in meiner Nase dagegen jedoch ziemlich nach Absahnerei analog zur unsäglichen Tour der DIO-Mitstreiter mit Ronnie James Dio-Hologramm. Versaut’s nicht, Freunde.

Links: http://www.helhorse.dk/, https://www.facebook.com/Helhorse/, https://www.reverbnation.com/helhorseband, https://www.last.fm/music/Helhorse, http://www.philcampbell.net/, https://www.facebook.com/PhilCampbellATBS/, https://www.last.fm/music/Phil+Campbell+and+the+Bastard+Sons

Text, Fotos (10) & Clip: Micha
Fotos (10): Kai
Fotos (10): Eric, https://www.flickr.com/photos/vanreem

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