BIG JOHN BATES

Ponyhof, 10.11.2012

Eigentlich hatten wir für den gestrigen Abend einen Auftritt der FUZZTONES im Kalender stehen, der über Monate auf der Website des Frankfurter Ponyhof- Clubs angekündigt worden war. Doch etwa zwei Wochen vor dem Gig war der Name kommentarlos aus dem Programm verschwunden, stattdessen prangte der von BIG JOHN BATES an gleicher Stelle. Zum einen sicherlich schade, denn die ‚Fuzzies‘ waren in der Vergangenheit stets Garanten für hervorragende Konzertabende. Andererseits: Schwein gehabt! Denn BJB, der noch vor der Jahrtausendwende bei der kanadischen Thrash-Metalcombo ANNIHILATOR am Mikrofon stand und inzwischen mit wechselnden Mitstreitern ganz andere, wesentlich vielschichtigere Musik macht, ist mehr als nur ein gleichwertiger Ersatz.

Einen Mangel an Produktivität kann man dem Mastermind der Gruppe, Big John Bates (Gesang & Gitarre) aus Vancouver, sicherlich nicht vorwerfen:

Innerhalb des vergangenen halben Jahres hat er mit „Battered Bones“ (LP) und „Headless Fowl“ (EP) gleich zwei neue Scheiben herausgebracht, bereits zuvor das Konzept seiner Shows grundlegend geändert und mit Brandy Bones eine charismatische neue Stimme, exzellente Kontrabassistin und talentierte Songwriterin in die Band geholt. Außerdem ist nach zweijähriger Pause wieder JT Massacre (u. a. REAL MCKENZIES) am Schlagzeug an Bord.

Was die Konzeptänderung betrifft, so gehören Auftritte von BIG JOHN BATES mit den Burlesque-Girls der VOODOO DOLLZ inzwischen der Vergangenheit an, was der ein oder andere Anhänger vielleicht bedauern wird. Andererseits kann sich das Publikum bei Konzerten der zum Trio geschrumpften Combo nun wieder auf das Wesentliche konzentrieren: die Musik. Die ist, wie eingangs erwähnt, vielschichtig und nicht einfach zu klassifizieren: Mal getragen, durchzogen von einer düsteren und morbiden Grundstimmung, mal überbordend rockig, angereichert mit Elementen des Blues, Country, Rockabilly, Folk, Americana und des Punk. Ein gutes Beispiel dafür ist der Song „Taste the Barrel“:

Treffend wurde die neue Platte kürzlich im Ox #104 beschrieben als „der richtige Soundtrack, um wochenlang orientierungslos und psychotisch werdend durch die weiten Wälder von New England zu stapfen“.

Dass neben der Akustik auch die Optik nicht auf der Strecke bleiben muss, dafür sorgt die aus dem US- Bundesstaat Montana stammende Brandy Anderson, die aufgrund ihrer Vorliebe für Knochen (mehr dazu hier) mit dem Künstlernamen „Bones“ durch die Lande zieht. Habe ich jemals eine Musikerin gesehen, die auf der Bühne das klassische Bild einer Femme fatale vermittelt, so ist es ohne Zweifel sie: Angezogen war die Mittzwanzigerin mit einem hellen Kleid, das während der schnelleren Passagen bei ihren eleganten Bewegungen hin und her flatterte, unter den Trägern und im Dekolleté lugten die tätowierten Stellen auf ihrer bleichen Haut hervor. Aus ihren dunkel geschminkten Augenhöhlen warf sie dem Publikum manisch-laszive Blicke zu, während die Haarsträhnen ihrer (mit fortschreitender Dauer des Konzerts immer zerzausteren) Frisur abwechselnd an den verschwitzten Wangen klebten oder wild in alle Richtungen flogen.

Dazu lieferte die Amerikanerin eine Performance am Kontrabass, die ihresgleichen sucht: Mal bediente sie das Instrument auf ihm liegend, mal lag sie darunter, mal stieg sie darauf und streckte in artistischer Manier noch ein Bein in Richtung Decke. Mit solcherlei Aktionen spielte sie, im Schauspielerjargon gesprochen, den Bandleader schlichtweg an die Wand. Da konnte Big John auf den Knien die sechs Saiten seiner Gretsch-Gitarre zupfen oder Schabernack mit seinem Hut treiben, die Blicke der Zuschauer waren trotzdem fast ausnahmslos auf Miss Bones gerichtet. Ein absoluter Gewinn für BIG JOHN BATES; ich jedenfalls habe die Burlesque-Nummer zu keiner Zeit vermisst.

Der Gig startete mit „Amerkin“ von der neuesten LP als Intro, es folgte „Break the Ghost“, von dem die Band (zu Recht) wohl selbst so angetan ist, dass sie den Song gleich auf beide neuen Releases pressen ließ (gleiches gilt für „Wide Open Blues“). Des weiteren stachen am gestrigen Abend für mich „Hellfire Remedy“,

„Glossilalia“ und „Engine Room“ aus den knapp 20 Stücken heraus. Auch ein paar Cover wurden dargeboten: „All my Friends are Dead“ von den TURBONEGRO (Clip dazu unten), das von einigen Gästen vehement geforderte „Breaking the Law“ von JUDAS PRIEST, das ursprünglich nicht auf der Setlist gestanden hatte, sowie zum Ende hin der CRAMPS-Klassiker „Goo Goo Muck“.

Auf den Gibson-Boxen im hinteren Teil des Podests tänzelten ob der physischen Erschütterungen einige volle Becks-Flaschen, die, wie könnte es anders sein, doch irgendwann mal herunterfielen und eine schöne schaumige Pfütze auf den Brettern hinterließen. BJB kümmerte dies nicht, er schob mit seinen

ziemlich extravaganten, schwarz-weißen Designerschuhen den entstandenen Scherbenhaufen beiseite und widmete sich wieder den Akkorden. Wenig später wurde der Platz auf den Lautsprechern von einer Flasche Jägermeister okkupiert. Die hatte einen festeren Stand. Überdies scheinen die drei aktuellen BJB-Mitglieder echte Fans des deutschen Kräuterlikörs zu sein: In Kanada tritt Jägermeister sogar als Sponsor der Combo auf, was auf der Band-Website dokumentiert wird.

Um an das Elixier zu kommen, lief Big John auch inmitten eines Songs mit seiner Gitarre durch die Gästeschar bis zur Theke am oberen Ende des zu etwa drei Vierteln gefüllten Raums und kam mit drei Hütchen zurück auf die Bühne. Einen der Schnäpse flößte er eigenhändig seiner Kollegin ein, die währenddessen weiter munter ihren Upright Bass bearbeitete (Foto in der Galerie). Bei soviel Tatendrang wollte auch Brandy nicht zurückstehen: Kurz darauf schulterte die recht zierliche Künstlerin ihr Instrument (ganz leicht ist so ein Teil ja nicht), bahnte sich ebenfalls den Weg bis zur Bar, kletterte den Tresen hinauf und gab dort ein paar Takte zum Besten. BIG JOHN BATES anno 2012: Das ist großes Kino, trotz fehlender VOODOO DOLLZ ein Ohren- und Augenschmaus und ein tolles Spektakel.

BJB erzählte nach der Show auf meine Frage, wie er selbst den Gig empfunden habe, dass er sehr gern im Ponyhof spielt und dass der kleine Club in der Klappergasse neben dem Kölner Sonic Ballroom eine seiner Lieblingsstationen auf den Deutschland-Touren ist. Die diesjährige führt ihn, nach einem kurzen Abstecher nach Österreich und in die Schweiz, noch bis Anfang Dezember auf zahlreiche Bühnen hierzulande. Falls eure Stadt auf dem Tourplan steht oder in der Nähe ist, solltet ihr das nicht verpassen.

Links: http://www.bigjohnbates.ca/, http://de.myspace.com/bigjohnbates, http://www.reverbnation.com/bigjohnbates, http://www.hofner-strings-bows.com/news/news/view/label/Brandy Bones/

Setlist (ohne Gewähr): Amerkin – Break the Ghost – Wide Open Blues – Taste the Barrel – Black Soll Choir – Dig Myself a Hole – Scarecrow Close – Battered Bones – Circadian Rhythm – Glossilalia – Hellfire Remedy – Engine Room – Shotgun Shack – All My Friends are Dead – Murky Water – Poppa Spoonful – Breaking the Law – Fields On Fire – Goo Goo Muck

Text: Stefan / Fotos & Clips: Kai

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