WANDA JACKSON

Orange Peel, 2.11.2012

Im Frankfurter Orange Peel hatte man am gestrigen Abend noch einmal Gelegenheit, eine Legende des alten Rock’n’Roll zu sehen und zu hören, die man schon längst vergessen geglaubt hatte: WANDA JACKSON. Die unlängst durch ihre Zusammenarbeit mit Jack White (WHITE STRIPES) wiederentdeckte Künstlerin hatte ihre Karriere bereits vor der Rock’n’Roll- Ära als Hillbilly-Sängerin begonnen, die es später bis zu einer eigenen Radioshow brachte. Ende der 50er Jahre, als Rock’n’Roll für viele amerikanische Country-Sänger zur neuen Einnahmequelle wurde, war sie im Gegensatz zu den damals eher mädchenhaften, naiven und sentimentalen weiblichen Teenager-Idolen eine der ganz wenigen Sängerinnen, die es in puncto Wildheit und Konsequenz mit allen männlichen Kollegen aufnehmen konnte. Dabei trat die 1937 in Maud (Oklahoma) geborene Künstlerin stets als damenhaft elegante, dunkelhaarige Schönheit in Erscheinung.

Mit zwei Eigenkompositionen und etlichen Singles und Alben auf Capital Records feierte sie Erfolge und als Anfang der 60er Jahre der Rock’n’Roll- Boom abflachte, kehrte sie zur Country-Musik zurück, will heißen: zu jenem mittlerweile recht faden Nashville-Country, der an die Dynamik und Tiefe der alten Hillbilly-Nummern nicht mehr anknüpfen konnte.

Wanda Jackson wirkte etwas gebrechlich, als sie an die Hand genommen wurde, um auf das Podest des Orange Peel zu steigen. Dieses war allerdings nicht so hoch, dass alle Besucher im annähernd ausverkauften Saal die kleine Künstlerin im weißen, mit funkelnden Glitzersteinchen besetzen Abendkleid, auch zu Gesicht bekamen. Da schon die Personen in der ersten Reihe die auf der Bühne stehende Sängerin um einige Zentimeter überragten, dürften weiter hinten wohl nur die wirklich großen Gäste oder diejenigen, die durch eine Lücke spähen konnten, Blicke auf sie erhascht haben. Eines wurde jedoch schnell klar: An Stimme hat die ältere Lady im Verlauf der Jahre erstaunlich wenig eingebüßt.

Sie wurde begleitet von den Rockabillys CHRIS ARON & THE SINGLE BEDROOMS aus München (Fotos rechts und unten, weitere in der Galerie), die ihren Anheizer-Auftritt bis zum Erscheinen des Stars etwas in die Länge zogen. Die korrekt gekleidete Band (über den legeren Aufzug des Schlagzeugers wollen wir mal hinwegsehen) war aber fähig und tight genug, das Publikum recht lange bei Laune zu halten. Anstatt Wanda Jackson dann jedoch einfach und wirkungsvoll erscheinen zu lassen, ließ man die Stimmung in einer Umbaupause leider etwas abreißen, nur um ein völlig überflüssiges Keyboard auf die Bühne zu bringen. Schon immer Mainstream, ist der billige und sterile Klang eines elektrischen Klaviers ein ziemliches Ärgernis, und rootsorientierte Musik kann man damit komplett ruinieren.

Der Set des Abends bestand dann neben ihren bekanntesten Rock’n’Roll-Nummern wie „Funnel of Love“ und „Let’s have a Party“ (Clip dazu weiter unten) aus einem eher einfallslosen Querschnitt bekannter Rhythm’n’Blues und Rock’n’Roll-Titel. Dass sich auch noch ein verirrter Amy Winehouse-Titel eingeschlichen hatte, war wohl ein Zugeständnis an die Tagesmode. Dargebracht wurde dies alles allerdings mit der Souveränität, die man sich erwirbt, wenn man seit seinem 13. Lebensjahr auf der Bühne gestanden hat. Es wäre dieser Künstlerin sicher angemessen gewesen, wenn sie sich auf ihre Wurzel besonnen und einen Großteil des Repertoires aus Nummern ihrer frühen Phase bestritten hätte. Offenbar hielt sie dies aber für zu riskant, denn die begeisterte Zustimmung des Publikums für den alten Hank Williams-Song „I Saw the Light“ schien sie nicht erwartet zu haben.

Zwischen den Stücken hielt Wanda Jackson Rückschau auf ihr bewegtes Leben und schwelgte in Erinnerungen an alte Zeiten: Über Elvis Presley etwa, mit dem sie in den Fünfziger Jahren ab und an die Bühne teilte und in den sie sich verliebte. Sie trägt angeblich immer noch den Ring, den der King ihr einst schenkte. Sollte das stimmen, ist er auf den Fotos zu sehen. Oder sie berichtete über ihre Aufnahme in die Rock’n’Roll-Hall of Fame 2009, die ja erst wenigen Frauen zuteil wurde und sie besonders stolz macht. Auch der bereits eingangs erwähnte Jack White, der – für sie völlig überraschend – 2010 einer Kollaboration wegen bei ihr angerufen hatte, fand Erwähnung. Heraus kamen gemeinsame Auftritte und das im vergangenen Jahr veröffentlichte Album „The Party Ain’t Over“ – ein Motto, das sich die betagte Lady noch immer zu eigen macht.

Während ihrer Ausführungen wirkte sie immer dann etwas pikiert, wenn die Lautstärke der im hinteren Bereich quasselnden Gäste einen gewissen Pegel überschritt – „Wie kann man denn mir nicht zuhören?“, mag sie sich gedacht haben. Doch während andere Konzertbesucher genervt „Pssssst“ zischten oder „Haltet doch mal die Fresse!“ riefen, fand sie schnell die Contenance wieder und setzte ihr freundlichstes Lächeln auf. Denn niemand weiß so gut wie sie: Wenn auf der Bühne die Scheinwerfer angehen, dann ist Showtime.

Der etwa einstündige Auftritt muss die alte Dame recht erschöpft haben, denn unter großem Abschirmaufwand wurde sie anschließend vorbei an den an allen Ecken lauernden Autogrammjägern aus dem Gebäude gelotst. Zu kaufen gab es leider nichts Originelles, was die Fans des Genres wirklich interessiert hätte. Man hat sich aber gefreut, Wanda Jackson mal leibhaftig gesehen zu haben, auch wenn solche Veranstaltungen immer einen leicht melancholischen Nachgeschmack haben.

Wer einen Eindruck von der Künstlerin auf dem Höhepunkt ihrer Karriere gewinnen möchte: Auf YouTube gibt es eine erstaunliche Anzahl von Clips mit frühen Auftritten, in der Mehrzahl aus der TV-Show „Town Hall Party“, gemeinsam mit dem legendären Gitarristen Joe Maphis und der Sängerin Margie „Fiddlin’ Kate“ Linville Warren.

Setlist (ohne Gewähr): Riot – Rock Your Baby – I Gotta Know – Funnel Of Love – Betcha My Heart – Heartbreak Hotel – Shakin’ All Over – You Know I’m No Good – Tore Down – Am I Even a Memory – It’s All Over Now – Fujiyama Mama – Right or Wrong – Mean Mean Man – I Saw the Light – Let’s Have a Party

Links: http://www.wandajackson.com/, http://de.myspace.com/wandajacksonmusic, http://www.chrisaron.com/, http://www.myspace.com/rockthatswing

Text: eye-c / Fotos & Clip: Kai

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