POISON IDEA

Au, Frankfurt, 22.04.2015

Poison IdeaPOISON IDEA. Erinnerungen werden wach. Erinnerungen an das Jahr 1993, in dem die Jungs aus Portland im legendären Frankfurter Negativ auftraten. Der Laden platzte damals aus allen Nähten, auf der Bühne standen unter anderem Sänger Jerry A., Gitarrist Pig Champion und Drummer Slayer Hippy. Es war das legendäre Line-up, das drei Jahre zuvor das Magnum Opus „Feel the Darkness“ aufgenommen hatte. Der Titelsong fungierte als Opener und versetzte alle Anwesenden in Ekstase. Es war ein herausragendes Konzert, das wohl jedem, der damals dabei war, noch sehr präsent sein dürfte. Im Anschluss an die Tour löste sich die Gruppe zunächst auf, fand sich aber fünf Jahre später in neuer Besetzung wieder zusammen.


Poison IdeaMein zweites Erlebnis mit POISON IDEA war weniger eindrucksvoll. Es fand im Frankfurter Exzess, soweit ich mich entsinne, 2004 statt. Als ich damals den Club betrat, lag Jerry A. samt einer leeren Whiskey-Flasche im Foyer der Halle auf einem Sofa und ratzte wie ein Murmeltier. Dass er kurze Zeit später dennoch über die Bühne wankte, war ein kleines Wunder, konnte aber nicht verhindern, dass der Gig zum Debakel wurde. Insofern war ich gespannt, wie sich die Formation anno 2015 präsentieren würde.

Los ging’s am gestrigen Abend in der Rödelheimer Au mit den DEATHJOCKS, einem Hardcore-Outfit aus Schweinfurt, von dem ich allerdings recht wenig mitbekam, es waren einfach zu viele bekannte Gesichter vor Ort, mit denen ich Deathjocksanstoßen musste. Tatsächlich hatte der Name POISON IDEA einige Jungs aus dem Haus gelockt, die man schon längere Zeit nicht mehr gesehen hatte. Darüber hinaus waren viele junge Besucher gekommen, die ihre POISON IDEA-Premiere erleben sollten. Das, was ich von den DEATHJOCKS mitbekam, klang allerdings nach solidem Oldschool-Hardcore, der recht gut zum Hauptact passte.

Poison IdeaEs dürfte gegen 23 Uhr gewesen sein, als der Headliner schließlich das Podest betrat, wobei dies für Jerry A. bereits die erste Hürde darstellte. Nicht etwa, weil er auf Drogen oder hackedicht war, sondern aufgrund seines Gewichts, das ihn die Bühne nur mit Mühe und mit Hilfe einer improvisierten Bierkasten-Treppe erreichen ließ. Oben angekommen, wurde schnell klar, dass es Jerry nicht gut ging. Wie ich später Poison Ideaerfuhr, war er am Tag zuvor gestürzt und hatte so starke Schmerzen, dass er sich kaum bewegen, geschweige denn bücken konnte. Die Setlist der Show hielt er daher während des gesamten Gigs in seinen Händen. Optisch war das natürlich ein Wermutstropfen, denn eine Punk-Band, deren Frontmann keine Action liefern kann, ist wie eine Handgranate ohne Sprengsatz. Dennoch war es ein netter Zug, dass die Amerikaner überhaupt spielten, manch andere hätten sicherlich abgesagt.

Musikalisch führen POISON IDEA seit 1983 das Vermächtnis von frühen Westcoast-Punk/Hardcore-Bands wie BLACK FLAG, den GERMS oder den WEIRDOS weiter. Geboten wird brachialer, schneller Punkrock, der von Jerrys Poison Ideakräftiger Stimme dominiert wird. Zurückblicken kann die Combo auf immerhin sieben Longplayer und gut zwei Dutzend EPs, von denen gestern ein bunter Querschnitt präsentiert wurde. Neben Jerry waren mit Gitarrist Eric „The Vegetable“ Olson und Chris „Spider“ Carey zwei altgediente Recken mit von der Partie, die bereits in den Achtzigern Teil der Band waren, die restlichen Musiker rekrutierten sich aus jüngeren Leuten.

Poison IdeaAls Einstieg sorgte „Hangover Heartattack“ von der „Filthkick“- Single aus dem Jahr 1988 sofort für Bewegung vor der Bühne des ausverkauften Clubs. Jerrys Wachsfiguren-Performance schien auf die Stimmung keine negative Auswirkungen zu haben. Und so sorgten dann Kracher wie „God not God“, „Just to Get Away“ und natürlich „Plastic Bomb“ für Pogo, Stagedives und Bier-Fontänen, wobei besonders das jüngere Poison IdeaPublikum sichtlich Spaß hatte. Von der guten, aktuellen Scheibe „Confuse & Conquer“ fanden sich lediglich zwei Nummern auf der Setlist wieder, aber was will man machen, wenn man so viele Klasse-Songs im Portfolio hat. Vermisst habe ich indes „Feel the Darkness“ und das G.I.S.M.-Cover „Endless Blockades for the Pussyfooter“.

Für mich war’s ein solider Gig, dessen Klasse aber deutlich durch einen stark lädierten Sänger geschmälert wurde. Leider gab es auch keinerlei Ansagen oder Versuche, mit dem Publikum zu kommunizieren. Gegen Ende blickte Jerry zudem ständig auf die Uhr, wohl in der Hoffnung, dass die Zeiger sich schneller bewegen und die Show bald vorüber sein würde. Auch die halbe Poison IdeaFlasche Wein, die der 200-Kilo- Mann während des Auftritts ex abkippte, half wohl nicht, die Schmerzen zu lindern. Und das war schade, denn besonders mit diesem Line-up hätte ich die Truppe gerne in Bestform erlebt. Als ich nach dem Konzert einige Kommentare einholte, wurde klar, dass es zwei Meinungen zur Performance gab. Das jüngere Publikum, das POISON IDEA an diesem Abend zum ersten Mal erleben durfte, Poison Ideawar begeistert, Veteranen hingegen sprachen eher von einem akzeptablen bis enttäuschenden Gig. Ob wir die Jungs überhaupt noch mal sehen werden ist fraglich, sollten sie aber ihr Besuchs-Intervall in Frankfurt so weiterführen wie bisher, dann kommen sie vermutlich im Jahre 2025 noch einmal in die Stadt.

Links: https://de-de.facebook.com/deathjocks, https://myspace.com/deathjocks, http://www.lastfm.de/music/deathjocks, https://myspace.com/blankblackoutvacant, http://www.reverbnation.com/poisonidea, http://poisonideasl.bandcamp.com/, http://www.lastfm.de/music/Poison+Idea, http://poisonidea.bigcartel.com/

Text: Marcus / Fotos (14): Frank / Fotos (12): Kai

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