KEN HENSLEY & LIVE FIRE

Rathausplatz, Bad Homburg, 9.08.2013

Am gestrigen Abend in Bad Homburg wurden Kindheitserinnerungen wach: Es war im Jahre 1977, als mich meine Oma zum Shopping mit auf die Zeil nahm. Und da ich bereits damals eine ausgeprägte Neigung hatte, Dinge zu sammeln, durfte ich mir im Erdgeschoss des Hertie-Kaufhauses (heute Karstadt) eine Schallplatte aussuchen. Meine Großmutter dachte natürlich an ein Hörspiel wie „Hui Buh“, „Räuber Hotzenplotz“ oder ähnliches, ich aber entschied mich für eine schwarze Platte, auf deren Cover der Betrachter von einem finsteren Schlangenkopf mit weit geöffnetem Maul und blutigen Giftzähnen angeblickt wurde – es war URIAH HEEP’s 77er-Album „Innocent Victim“. Meine Oma kommentierte die Wahl nur mit den Worten: „Des is ja forchtbar!“, schenkte mir die Scheibe aber dennoch…

Damals hatte ich natürlich keine Ahnung, um welche Art von Band oder Musik es sich handelte, da ich meine Wahl lediglich aufgrund des Covers getroffen hatte. Doch die Platte gefiel mir und so fanden sich bald weitere Veröffentlichungen der Combo in meiner Sammlung wieder. Erst nach dem 83er-Album „Abominog“, das bereits ohne Beteiligung von Ken Hensley veröffentlicht wurde, aber

ebenfalls von einem schicken Monster-Cover geziert wird, verlor ich die Band aus den Augen, weil ich damals begann, mich für härtere Musik zu begeistern. Bis dato aber gehörten die Engländer neben BLUE ÖYSTER CULT und BLACK SABBATH zu meinen absoluten Lieblingsbands. Die erste Scheibe im Leben prägt eben…

Und so freute es mich natürlich, als ich hörte, dass Hensley, seines Zeichens Mitbegründer, Keyboarder, Gitarrist, Sänger und Songwriter von URIAH HEEP, auf dem Bad Homburger Rathausplatz auftreten würde. Dort finden bereits seit einigen Jahren

regelmäßig in den Sommermonaten Konzerte statt, die den Besuchern zudem kostenlos präsentiert werden. An anderen Orten hätten Tickets für Hensley immerhin etwa 35 bis 40 Euro gekostet, so dass es durchaus vertretbar war, sich gemeinsam mit Prosecco trinkenden Hausfrauen und neugierigen Rentnern auf dem Platz zu versammeln.

Bevor es losging, hieß ein Ansager die Besucher in der Kurstadt willkommen, begrüßte den Bürgermeister und sprach davon, dass Hensley bereits im letzten Jahr in Bad Homburg gastiert und dabei einen bleibenden Eindruck hinterlassen habe, so dass man sich wünschte, ihn

bald wieder begrüßen zu dürfen. Und dies hat prompt geklappt: Ken Hensley, mittlerweile 67, aber noch äußerst gut in Schuss, thronte nachfolgend mit seiner wallenden Mähne hinter üppigen Orgel-Türmen und wurde beim Gig von seinem aktuellen Bandprojekt LIVE FIRE begleitet.

Dem internationalen Lineup gehören der norwegische Gitarrist Ken Ingwersen, der schwedische Drummer T.A. Fossheim und – ganz neu – der italienische Sänger und Basser Roberto Tiranti (oben) an, der gestern erstmals mit der Band auf der Bühne stand, sich aber perfekt einfügte. Los ging’s mit zwei Liedern des 2011er-LIVE FIRE-Albums „Faster“, die durchaus auf den Spuren früher Heep-Songs wandelten, ohne jedoch deren Klasse zu erreichen. Spannend wurde es, als mit dem dritten Stück die bekannten Hammond- Orgel-Klänge von „Look at Yourself“ erklangen, die das Publikum zu spontanen Beifallsbekundungen animierten. Der Track stammt vom gleichnamigen dritten URIAH HEEP-Album von 1971 und ist zweifelsohne einer der stärksten Songs, die Hensley je geschrieben hat.

Von nun an war der Bann gebrochen und die etwa 500 Anwesenden auf dem Rathausplatz feierten jedes weitere Stück. Den nächsten Titel kündigte Hensley mit den Worten: „I wrote this song back in 71, when most of you weren’t born yet!“ an, wobei der Spruch zumindest an diesem Abend nicht zutreffend war, denn gut zwei Drittel der Anwesenden dürften die 50 bereits weit überschritten haben. Es folgten das epische „July Morning“ (1971), die Ballade „The Wizard“ (1972), bei der Hensley erstmals zur Akustik-Gitarre griff und das groovige „Stealin’“ (1973), bevor mit „Blood on the Highway“ aus dem Jahre 2011 wieder ein aktueller Song in die Setlist einfloss.

Das letzte Drittel des Sets bestand aus drei weiteren URIAH HEEP- Klassikern und wurde vom schnellen „Easy Livin’“ (1972) eröffnet, bei dem ein älterer Herr neben mir eine Mischung aus epileptischem Anfall und Veitstanz vollführte – vielleicht hatte er ja noch etwas LSD in den Sofa-Ritzen entdeckt. Dem folgte eine etwas modernisierte Version von „Lady in Black“ (1971), bei der Hensley erneut als Gitarrist in Aktion trat. Als Zugabe wurde schließlich „Gypsy“ (unser Videoclip), der erste Song des ersten Albums der Band aus dem Jahre 1970 dargeboten. Alles in allem sorgten Hensley und LIVE FIRE für eine stimmungsvolle Zeit-Reise zurück in die frühen Siebziger und weckten Erinnerungen an vergangene Tage.

Hensley selbst präsentierte sich dabei für seine fast 70 Lenze äußerst aktiv, wütete wie ein Berserker hinter seiner Orgel und machte auch an der Gitarre eine gute Figur. Das warme Klima der spanischen Costa Blanca, an der der

Musiker seit einigen Jahren lebt, scheint Wunder zu wirken. Zu erwähnen bleibt noch, dass der große alte Mann sich beim Gig aufs Orgel- und Gitarrenspiel konzentrierte und lediglich bei „Lady in Black“ als Sänger in Erscheinung trat. Für die Lead-Vocals sorgte an diesem Abend Bassist Roberto Tiranti, der sich dabei durchaus respektabel aus der Affäre zog. Wer auf 70’s Prog-Rock steht, dem sei diese Band daher wärmstens ans Herz gelegt.

Links: http://www.ken-hensley.com/, https://myspace.com/kenhensleymusic, http://www.lastfm.de/music/Ken+Hensley, https://myspace.com/thelivefireband

Text, Fotos & Clip: Marcus

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